Apfelduft liegt in der Luft

Pünktlich zu Erntebeginn finden jedes Jahr die ersten knackigen Äpfel aus der Bodenseeregion ihren Weg zu Sutterlüty: Delbar, Fuji, Jonaprinz – und vor allem der beliebte Elstar. Anfang September hat am Weiherhof von Franz, Manuela und Martin Schmeh in Adelsreute die Elstar-Ernte begonnen – wir waren für Sie mit dabei.

Schon der Weg nach Adelsreute ist dicht gesäumt von Apfelbäumen. Kein Wunder, schließlich ist das Bodensee-Klima ideal für den Apfelanbau. In langen, gleichmäßigen Reihen stehen die Spindeln in Reih und Glied und warten darauf, von ihrer süßen Last befreit zu werden. Auch auf dem Weiherhof von Familie Schmeh wird seit einigen Tagen „gebrockt“, wie es hier auf Schwäbisch heißt. Franz und Sohn Martin erwarten uns bereits am Hof. Gemeinsam wollen wir zur Weiherwiese, wo die Ernte bereits seit dem Morgen in vollem Gange ist. „Manuela kommt auch gleich“, sagt Franz. „Sie packt gerade noch Kaffee und Kuchen ein. Ihr kommt nämlich grade recht zur Pause.“ Was für ein Timing! „Hier unten werden die Elstar-Äpfel bis zu zehn Tage früher reif als oben am Hang“, sagt Franz, als wir wenig später voll bepackt mit Kaffee, Kuchen und Kamera unterwegs sind. Wir schauen uns etwas irritiert um. Was für ein Hang? „Naja, für Vorarlberger Verhältnisse ist ‚Hang‘ vielleicht ein bisschen übertrieben“, schmunzelt Manuela, und Franz ergänzt: „Aber so zwanzig Höhenmeter werden es schon sein.“ Wir müssen lachen.

Hier im „Tal“ jedenfalls werden wir schon sehnsüchtig erwartet. Seit halb acht sind die Erntehelferinnen und Erntehelfer bei der Arbeit, und auch die Mittagspause ist schon eine Zeitlang her. Seit über 25 Jahren kommen Darek und Kristina jedes Jahr aus Polen für zwei Monate nach Adelsreute zur Ernte. Und jedes Jahr bringen sie Freunde und Verwandte mit. Neun Personen sind es meistens, die hier dafür sorgen, dass die Äpfel zum perfekten Zeitpunkt vom Baum kommen. „Ohne euch wären wir aufgeschmissen“, sagt Franz und klopft Darek freundschaftlich auf die Schulter.

Der nickt ernst und muss dann doch grinsen. Doch ganz unrecht hat Franz nicht. Schließlich sollen 30.000 Bäume innerhalb von acht Wochen abgeerntet werden. Das ist für die Familie alleine nicht zu schaffen. Vor allem, weil es am Hof ja auch noch 40 Milchkühe gibt! 120 Kilogramm Äpfel pflückt jede und jeder in Dareks Ernte-Team pro Tag. „Das perfekte Elstar-Aroma bringt man allerdings nur dann her, wenn man den Apfel wirklich reif vom Baum holt“, betont Franz. Vier bis fünf Erntedurchgänge sind deshalb gerade bei den älteren Bäumen keine Seltenheit. Da kann man eine kleine Stärkung am Nachmittag ganz gut gebrauchen.

DIE ERNTEHELFERINNEN UND ERNTEHELFER SORGEN DAFÜR, DASS DIE ÄPFEL ZUM PERFEKTEN ZEITPUNKT GEERNTET WERDEN.

EIN GUTES APFELJAHR

Die Ernte fällt dieses Jahr gut aus, erfahren wir, während wir auf Obstkisten sitzend erst mal Kaffee und Kuchen genießen. Die Blütezeit genießt vor allem Manuela sehr. „Weil es einfach wunderschön aussieht – und so nach Frühjahr duftet“, schwärmt sie. „Hm“, macht Franz, und Manuela muss lachen. Der Frühling ist eine arbeitsintensive Zeit im Betrieb. „Da hat der Franz keine Zeit zum Schnuppern, der blüht erst jetzt so richtig auf.“ „Mmh“, sagt er diesmal, und es klingt wie eine Zustimmung. „Mein Genuss ist jetzt, wenn ich sehe, dass unsere Arbeit Früchte trägt.“

Als wäre das sein Stichwort, setzt sich der Erntetrupp langsam wieder in Bewegung, und auch wir gehen ein Stück die Baumreihen entlang. „Das Apfeljahr beginnt für uns schon im Dezember, mit dem Winterschnitt“, erklärt uns Franz. Das dauert bis in den März hinein. Dann werden, wo es nötig ist, alte Bäume durch junge ersetzt. Im Sommer besteht die Hauptarbeit darin, zwischen den Baumreihen zu mähen und zu mulchen. „Wenn wir das Gras zu hoch hätten werden lassen, würden wir jetzt mit dem Erntewagen nicht mehr durchkommen.“

Rund 120 Kilogramm Äpfel pflücken die Erntehelferinnen und Erntehelfer jeden Tag. Da muss ein Päuschen ab und an schon sein.

DIE REIFEPRÜFUNG

Immer mal wieder dreht Franz prüfend einen der Äpfel am Baum in der Hand. Jahrzehntelange Erfahrung haben seine Sinne reifen lassen. Dafür, ob der Apfel bereit ist für die Ernte oder ob ihm ein paar herbstliche Tage am Baum noch gut tun. Messgeräte braucht er dafür nicht. Auch was Sohn Martin betrifft, fällt der Apfel nicht weit vom Stamm. Der 26-jährige Obstbaumeister steigt gerade in den Betrieb mit ein und tritt auch in Sachen Apfel-Expertise in die Fußstapfen seines Vaters. „Entscheidend sind Festigkeit, Farbe, Geschmack und auch der Geruch“, sagt er. „Do, schmeckat amol“, und er deutet auf eine der rotbackigen Früchte, die direkt auf Nasenhöhe hängen. Tatsächlich! Von der Sonne gewärmt verströmt der rotbackige Apfel einen zarten, fruchtig-sü.en Duft. Franz nickt zufrieden, pflückt den Apfel und dreht ihn um. „Isch der so weit?“, fragt er seinen Sohn. „Jo, tät scho saga“, erwidert der nach einem prüfenden Blick. Denn auch die Rückseite darf jetzt nicht mehr grasgrün sein, sondern muss schon mehr ins Gelbliche gehen. Franz schneidet den Apfel in der Mitte durch. Die Kerne sind braun und das Fruchtfleisch ist fest und saftig. Alles deutliche Reifezeichen.

OB EIN APFEL REIF FÜR DIE ERNTE IST, ENTSCHEIDEN FESTIGKEIT, FARBE, GESCHMACK UND AUCH DER DUFT.

DER ELSTAR IST DER RENNER

Noch einmal teilt Franz die Apfelhälften und reicht uns je eine Spalte. „Und?“, fragt er in das leise Knacken hinein, das unser beherztes Zubeißen auslöst. Dieser Apfel ist genau so, wie ein Apfel sein muss. Nicht zu fest und nicht zu weich, saftig und sehr aromatisch. Leicht süß, aber auch erfrischend säuerlich. Von allem ein bisschen eben. „1981 hat mein Vater die ersten Elstar-Bäume gepflanzt“, erinnert sich Franz. „Seitdem ist dieser Apfel bei uns der Renner.“ „Weil er eben so vielseitig ist“, ergänzt Manuela, „mit dem Elstar kann man auch prima backen und kochen, der passt einfach immer.“

GENUSS AUF LAGER

Neben dem Elstar beliefert der Weiherhof Sutterlüty auch mit Delbar, Fuji und Jonaprinz- Äpfeln. Die ersten geernteten Äpfel kommen direkt in den Verkauf. Ein Teil wird gekühlt zwischengelagert, und jener Teil der Ernte, der über einen längeren Zeitraum knackig und frisch bleiben soll, kommt in ein CA-Lager auf dem Weiherhof. CA steht für „controlled atmosphere“. Bei dieser „kontrollierten Atmosphäre“ werden Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt konstant auf einem gewünschten Niveau gehalten. So wird die Reifung der Früchte verzögert. Für Äpfel liegen die optimalen Bedingungen bei rund 1,5 °C und einem Sauerstoffgehalt von 1,5 Prozent. „Die Werte werden laufend überprüft und wenn nötig angepasst. Aber Chemie kommt bei der CA-Lagerung keine zum Einsatz“, betont Franz Schmeh. Nach einer guten Ernte können die Schmehs die Sutterlüty Ländlemärkte so bis Ende März, Anfang April mit knackigen Bodensee-Äpfeln versorgen.

VOM MARTINSHOF ZUM WEIHERHOF

Dass die Äpfel vom Weiherhof überhaupt ihren Weg zu Sutterlüty gefunden haben, ist Claudia und Bertram Martin vom Martinshof in Buch zu verdanken. Denn Claudia Martin ist Franz Schmehs Cousine. Bei einem Familienanlass sind Franz und Bertram ins Gespräch gekommen. Die Ernte damals war so gut, dass Franz gar nicht mehr wusste, wohin mit all den Äpfeln. Also hat Bertram Martin den Kontakt zu Sutterlüty gelegt. Seitdem kommt jeden Dienstag die Bestellung vom Martinshof zum Weiherhof. Anfangs waren es nur einige wenige Kisten, die Bertram noch selbst in Adelsreute abgeholt hat. Weil aber die Äpfel so gut angekommen sind, wurden die Bestellungen bald größer. Heute kümmert sich Schluge, ein Vorarlberger Lebensmittellogistikunternehmen, um den Transport. Knapp 60 Kilometer sind es nach Dornbirn, von wo aus die Äpfel in alle Ländlemärkte verteilt werden. Damit hat so ein Elstar vom Weiherhof rund 600 Kilometer weniger auf dem Buckel als einer aus der Steiermark, dem größten Apfel-Anbaugebiet Österreichs. Auch wir müssen langsam ans Aufbrechen denken, um die Eindrücke des heutigen Tages möglichst erntefrisch in die B’sundrig- Redaktion zu bringen. Bevor wir fahren, dürfen wir je noch einen Apfel als Proviant pflücken, und dann sind wir auch schon auf dem Weg zurück ins Ländle. Dem herrlichen Duft der Äpfel allerdings konnten wir nicht widerstehen, die haben wir gleich an Ort und Stelle verputzt.

Herbstzeit ist Apfelzeit

Jetzt laden die knackigen Vitaminspender wieder erntefrisch zum Zugreifen und Zubeißen ein. Die beliebtesten Sorten aus Österreich und der Bodenseeregion haben wir für Sie schon mal aus dem Regal gepflückt und verkostet.