Der Wein und seine Wurzeln

Ein gutes Glas Wein gehört zu einem gelungenen Festessen einfach dazu. Aber wo kommen die besten Weine Österreichs eigentlich her? Diplom-Sommelière Simone Wild hat sich gemeinsam mit Chefredakteur Christian Kerber auf die Reise zu den Wurzeln des österreichischen Weines gemacht. Auf ihrer Weinreise haben sie einige unserer Winzer in Niederösterreich und im Burgenland getroffen und vor Ort eine Auswahl der besten Weine verkostet, die Sie bei Sutterlüty im Weinregal finden. Viel Vergnügen bei dieser Wein-Lese der b’sundrigen Art.

Weingut Malat im Kremstal

Manchmal mögen wir unseren Job noch ein kleines bisschen mehr, als wir es ohnehin schon tun. Dieses Mal zum Beispiel hatten wir die Gelegenheit, zur schönsten Zeit des Jahres in die schönsten Gegenden Österreichs zu fahren. Dabei haben wir interessante und sympathische Menschen kennengelernt, fantastische Weine verkostet und viel über den Weinbau und die besten Anbaugebiete des Landes erfahren.

Am Mittwoch, den 28. September, machen Christian und ich uns auf den Weg Richtung Niederösterreich. Vor uns liegen nicht nur eine lange Fahrt, sondern vor allem vier spannende Tage. Fünf Weingüter stehen auf unserem „Tourplan“, drei in Niederösterreich und zwei im Burgenland.

Als wir an der ersten Station unserer Reise ankommen, ist es bereits dunkel. Das spielt aber keine Rolle, denn zum Weingut Malat im Kremstal, mit dem unsere Weinreise beginnt, gehört auch ein kleines, feines Hotel, wo bereits zwei schmucke Zimmer auf uns warten. Ausgeschlafen und erholt sind wir am nächsten Morgen schon früh wieder auf den Beinen. Wir sind die Ersten beim Frühstück, doch schon wenig später kommt auch Michael Malat dazu. 2008 hat er das Weingut von seinem Vater übernommen und führt es jetzt gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Daniela.

Mitten in der Weinlese herrscht hier auf dem ganz in der Nähe von Stift Göttweig liegenden Weingut Hochbetrieb. Trotzdem nimmt sich Michael die Zeit, uns durch seine Weingärten zu führen. Er frühstückt noch schnell zwei Spiegeleier, dann sind wir auch schon unterwegs.

LÖSS GEHT’S!

Christian ist ganz begeistert, als Michael in einem weißen Puch Haflinger „Cabrio“ um die Ecke biegt. Während wir bei traumhaftem Herbstwetter durch die wunderschöne Landschaft des Kremstals fahren – das nahegelegene Stift Göttweig immer im Blick –, erzählt er uns etwas über das Weingut und seine Berufung als Winzer: Der Weinbau liegt den Malats im Blut. Seit 1722 baut die Familie auf 48 Hektar Wein an. Heute führt Michael das Weingut und setzt dabei – wie schon sein Vater – auf Qualität statt Quantität. 270.000 Flaschen Wein verlassen jährlich den Keller. Zugekauft wird nichts.

Die Fahrt ist kurz. Nur wenige Minuten später sind wir in der Lage „Höhlgraben“ angekommen. Und hier liegt auch der Grund für die elegante mineralische Note, die so charakteristisch für Malat-Weine ist: Der Löss, der nicht nur im Boden vorherrscht, sondern auch in den Schotterwänden, die das Tal hier streckenweise meterhoch säumen. Diese vom Wind schon in der Eiszeit aus den Flussterrassen im Alpenvorland ins Kremstal verfrachteten Ablagerungen sind der ideale Nährboden für charaktervolle, klar strukturierte Weine. Dazu trägt auch bei, dass Michael seine Weingärten nicht bewässert.

„Die Rebstöcke haben gelernt, mit dem zur Verfügung stehenden Wasser zu haushalten“, erklärt uns Michael. „Dementsprechend reichen die Wurzeln bis zu 15 Meter tief ins Erdreich.“ Vom „Höhlgraben“ aus machen wir noch einen Abstecher zum „Steinbühel“, einer der trockensten Lagen im Weingut, wo sich vor allem der Riesling wohlfühlt. Zurück auf dem Hof zeigt uns Michael den beeindruckenden Weinkeller.

Ich liebe die Atmosphäre dieser urigen Gemäuer, wo sich Flasche an Flasche und Fass an Fass reihen. Hier liegen Geschichte und Zukunft gleichermaßen in der Luft. Großartig! Jetzt haben wir auch Gelegenheit, die Weine zu probieren, über deren Anbau wir vorher so viel erfahren haben.

MALAT WEINGUT UND HOTEL
Hafnerstraße 12
3511 Palt
Niederösterreich
T +43 (0)2732 82934
weingut@malat.at / www.malat.at

Weingut Schloss Gobelsburg Kamptal

Am frühen Nachmittag führt uns unsere Reise weiter nach Gobelsburg. Hier, zwischen Langenlois und Hadersdorf am Kamp, liegt das Weingut Schloss Gobelsburg. Was für ein Ort! Seit 1725 wurde das prächtige Renaissance-Schloss in dem gleichnamigen verschlafenen Örtchen optisch kaum mehr verändert.

Seit 1996 werden das Schloss wie auch das umliegende Weingut von Eva und Michael Moosbrugger geleitet. Wem die Namen bekannt vorkommen, muss sich nicht wundern, denn Michael ist Vorarlberger. Michael Moosbrugger hat sich den ganzen Nachmittag für uns freigehalten und führt uns persönlich zuallererst in den Weinkeller. Auch hier ergreift mich so etwas wie Ehrfurcht vor den alten Gemäuern und den Geschichten, die sie erzählen könnten. Zum Glück kann uns auch Michael einiges erzählen. Etwa zu den unzähligen, zum Teil sehr alten Münzen, die an einem Bogen im Keller an der Mauer haften. „Das ist ein Glücksbogen“, klärt Michael Moosbrugger uns auf. „Es heißt, es bringt Glück, wenn man in einem Weinkeller eine Münze hinterlässt. Viele Besucher haben das hier gemacht. Die Münzen haften von selbst an der Wand, weil das Raumklima so feucht ist.“

DER TRADITION VERBUNDEN

Und das ist nicht die einzige Tradition, die im Weingut Schloss Gobelsburg hochgehalten wird. Denn Michael Moosbrugger ist es ein großes Anliegen, das ehemalige Klosterweingut im Sinne der Gründer weiter zu führen. In Gobelsburg wird Weißwein seit jeher in Holzfässern hergestellt. Damit der Gärprozess dennoch gemäß dem hohen Qualitätsanspruch des Weingutes kontrolliert ablaufen kann, stehen die Fässer heute auf Rollen. So kann man sie je nach Bedarf in die unterschiedlichen Temperaturbereiche des Kellers fahren, ohne auf die Vorteile der charakterformenden Fassreifung verzichten zu müssen.

Wir verlassen den Weinkeller und kommen in ein offenes Presshaus. Dort werden gerade Trauben angeliefert. Der Traktor, der an uns vorbeituckert, ist bis zum Anschlag mit prall gefüllten Kisten beladen. Ziemlich kleinen allerdings. „Ginge das mit großen Kisten nicht viel schneller?“, fragt Christian. „Natürlich“, erwidert der Gutsherr, „aber in den kleinen Kisten ist der Druck auf die einzelne Traube nicht so groß. Dadurch bleiben sie ganz und fangen demnach auch nicht verfrüht an zu gären. Deshalb findet auch die Weinlese ausschließlich von Hand statt.“

Jetzt können wir es aber kaum mehr erwarten, die Weine von Schloss Gobelsburg zu verkosten. Eine ideale Gelegenheit, denn wer könnte uns dabei mehr über die Weine erzählen als der Winzer selbst? Zum krönenden Abschluss fahren wir noch an den Heiligenstein, eine der Toplagen im Hause Gobelsburg. Hier genießen wir bei einem traumhaften Sonnenuntergang den Nachklang des Weines am Gaumen.

WEINGUT SCHLOSS GOBELSBURG
Schlossstrasse 16
3550 Gobelsburg
Niederösterreich
T +43 (0)2734 2422
schloss@gobelsburg.at / www.gobelsburg.at

Weingut Bründlmayer Kamptal

Am selben Abend fahren wir weiter zu Willi Bründlmayer nach Langenlois, also sozusagen in den Nachbarort. Hier übernachten wir im zum Weingut gehörenden Heurigenhof.

Am nächsten Morgen treffen wir nach einem wunderbaren Frühstück Willi Bründlmayer und seinen Sohn Vincent, der bereits für Teile der Bründlmayer-Kollektion verantwortlich zeichnet. Auch Gault Millau ist schon auf den Jungwinzer aufmerksam geworden und würdigt die erfolgreiche Zusammenarbeit von Vater und Sohn mit der Auszeichung „Kollektion des Jahres 2017“.

MIT DEM PICK-UP AN DEN KÄFERBERG

70 Hektar Weinbaufläche nennen die Bründlmayers ihr Eigen. Leider können wir in der Kürze der Zeit nur einen Bruchteil davon besichtigen. Wir entscheiden uns für den Käferberg, wo wir auch gleich zu viert mit dem Pick-up hinfahren. Wie schon in den bisher besuchten Weingütern ist hier die Ernte gerade in vollem Gange – ebenfalls ausschließlich von Hand. Dabei ist Trauben-Naschen nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht. „Nur wenn der Pflücker eine Traube auch essen würde, ist sie gut genug für unseren Wein“, verrät uns Willi den Grund dafür. Wir schlendern ein bisschen durch die schier endlosen Reihen an Weinstöcken und lernen dabei die Besonderheiten der Lage kennen. Der Untergrund am Käferberg besteht aus kargem Urgestein, darüber liegen tonige Meeresablagerungen. Diese geben dem Wein zusätzliche Kraft und Dichte.

HALBE TRAUBEN – VOLLER GESCHMACK

An den Veltliner-Stöcken bemerke ich etwas, was mir vorher noch nie aufgefallen ist: Bei den Stöcken wurde die untere Hälfte der Traube abgeschnitten. Auf die Frage nach dem Warum antwortet Vincent: „Der Veltliner ist eine relativ große, dicht wachsende Traubensorte. Schneidet man den unteren Teil ab, hat sie mehr Luft, und der Rebstock kann sich perfekt um die verbleibenden gesunden Trauben kümmern. Kein Quetschen. Kein Platzproblem. Sondern nur beste Qualität.“ Qualität auf höchstem Niveau also. Das ist ganz nach unserem Geschmack!

Später machen wir an einer kleinen Steinhütte Rast. Diese „Weinstopps“ stehen allen Wanderern am Weinberg offen. Wer clever ist, holt sich allerdings vorher beim Tourismusamt Langenlois den Schlüssel für den kleinen Kühlschrank in der Hütte. Denn dann kann man perfekt gekühlten Weißwein direkt im Weinberg genießen. Ein Traum! Abschließend führen uns Vater und Sohn Bründlmayer noch in ihr „Allerheiligstes“, den Weinkeller, wo jetzt auch wir Gelegenheit haben, uns durch das Bründlmayer-Sortiment zu kosten. Habe ich eigentlich schon erwähnt, wie sehr ich meinen Job mag?

WEINGUT BRÜNDLMAYER
Zwettlerstraße 23
A-3550 Langenlois
Niederösterreich
T +43 (0) 2734 2172 0
weingut@bruendlmayer.at / www.bruendlmayer.at

Weingut Liegenfeld Burgenland

Gegen Mittag setzen wir unsere Weinreise fort. Wir verlassen das Kamptal und fahren Richtung Burgenland. Hier sind wir mit Gerda Liegenfeld verabredet. Gemeinsam mit ihrem Mann Andreas betreibt sie das 30 Hektar große Weingut in Donnerskirchen, auf dem hauptsächlich Weißwein entsteht. Untypisch fürs Burgenland, typisch für Donnerskirchen.

Andreas ist heute nicht da, darum führen uns Gerda und ihr Jüngster, Michael, gleich selbst durch den Keller. Michael besucht aktuell die Obst- und Weinbauschule in Klosterneuburg. Schon jetzt bringt er sich tatkräftig ein und man kann die Freude spüren, die er daran hat. Wir kommen ins Philosophieren über die Vorzüge verschiedener Lagen und ihren Einfluss auf den Wein. Dabei vergessen wir fast die Zeit – jetzt müssen wir uns beeilen, denn die Sonne geht bald unter und wir wollen unbedingt noch das „Himmelreich“ sehen. Diese ganz besondere Lage am Leithaberg bringt nämlich das Herzstück des Weinguts Liegenfeld, einen Grünen Veltliner, hervor.

ANDERE REGION. ANDERE WEINE.

Der Leithaberg entpuppt sich eher als Hügel, allerdings mit einer fantastischen Aussicht über den Neusiedlersee und die umliegenden Weingärten. Auch zum Hopferberg hinüber kann man sehen. Hier wird der Pinot Blanc, der bei uns in den Märkten steht, angebaut. Während wir noch staunen, macht Gerda erst einmal den mitgebrachten Grünen Veltliner auf und erzählt uns etwas über diese Lage: „Hier wurde schon früher Weinbau betrieben. Weil die kargen Böden zwar einen hervorragenden Wein, aber wenig Ertrag liefern, wurde die Lage aufgegeben. Vor ein paar Jahren haben wir gemeinsam mit anderen Winzern aus der Region (Weinquartett Donnerskirchen, Anm. d. Red.) das Himmelreich wieder erschlossen. Heute ist ja zum Glück Qualität wieder mehr wert als Masse.“ Davon überzeugt uns schon der erste Schluck aus dem Glas, das Gerda uns reicht. Die Schiefer- und Kalkböden hier verleihen dem Wein einen ganz eigenen Charakter. Auch Christian fällt auf, wie sehr sich die burgenländischen von den niederösterreichischen Weinen unterscheiden. „Andere Region. Anderer Wein“, bringt er es auf den Punkt. Dabei behauptet er immer, sich mit Wein nicht auszukennen.

WEINGUT LIEGENFELD
Johannesstraße 25
A-7082 Donnerskirchen,
Burgenland
T: +43 (0)2683 8307
weingut@liegenfeld.at / www.liegenfeld.at

Zu Gast im Blaufränkischland –
Weingut J. Heinrich im Mittelburgenland

Gegen 19.30 Uhr kommen wir beim Weingut J. Heinrich in Deutschkreutz an. Die letzten Arbeiter gehen gerade vom Gelände, seit 6 Uhr morgens waren sie bei der Weinlese. Es war auch für uns ein langer Tag. Darum sind wir ganz froh, als uns Chefin Silvia Heinrich nach einer herzlichen Begrüßung gleich zu den Gästezimmern führt.

MYSTISCHE MOMENTE

Früh am nächsten Morgen machen wir uns mit Silvia auf zur Besichtigung des Weingutes, das sie 2010 von ihrem Vater Johann übernommen und zu einem reinen Rotweingut gemacht hat. Wir beginnen am Goldberg, der besten Lage in Deutschkreutz. Auch hier ist der Berg nicht viel mehr als ein Hügel. Und obwohl der Wetterbericht für heute schönes Wetter angekündigt hat, hängt der Nebel noch zwischen den Rebstöcken. Wie tausende kleine Perlen sind die feinen Tropfen an den Spinnweben aufgefädelt. Die Atmosphäre ist einfach unbeschreiblich und wir genießen einen Augenblick lang diesen mystischen Moment, bevor wir unseren Ausflug fortsetzen.

TRAUBE IST NICHT GLEICH TRAUBE

Im Anschluss zeigt Johann uns noch eines seiner Liebkinder: einen kleinen, feinen Versuchsweingarten hinter dem Weingut. Hier kann man nicht nur wunderbar die optischen Unterschiede zwischen den verschiedenen Blättern und Trauben erkennen, hier darf man auch zugreifen. Die erste Zeile trägt feinste Tafeltrauben und ist für alle zum Naschen da. Die nächste Zeile besteht aus Blaufränkisch, danach Rösler, dann Zweigelt, Cabernet Sauvignon, Syrah, Merlot und und und … Das ist nicht nur für die Chinesen heute eine spannende Erfahrung. Wir hören ganz gebannt zu, während Johann erklärt, worauf es ankommt. Wie kann ich an den Kernen erkennen, ob eine Traube reif ist? Wo können wir die Unterschiede der verschiedenen Traubensorten erkennen? Wie funktioniert die Bodenarbeit in den Weingärten? Wirklich sehr interessant! Wie seine Tochter sprüht auch Johann vor Leidenschaft für den Weinbau.

Der Wein ist ein Geschenk der Götter, sie haben den Wein dem Menschen aus Erbarmen gegeben.

80 Prozent der ca. 40 Hektar Rebfläche sind mit Blaufränkisch bestückt. Wie soll es auch anders sein im „Blaufränkischland“, wie man das Mittelburgenland auch nennt. Das Klima und die Böden sind die perfekte Ausgangsbasis für die ausdrucksstarken, eleganten Heinrich-Weine.

Leider müssen wir bald wieder zurück, denn Silvia erwartet heute noch mehr Gäste. Die chinesische Botschaft ist zu Besuch, denn auch der chinesische Präsident trinkt gerne Heinrich-Wein. Darum kommt jedes Jahr eine Delegation der chinesischen Botschaft – und hilft bei der Weinlese! Silvia verabschiedet sich also für einen Moment, da laufen wir Papa Johann über den Weg. Er „übernimmt“ prompt und führt uns zu den mächtigen Gärtanks, wo er uns den Gärprozess erklärt. Hier ist Vorsicht geboten, denn die Gärgase sind nicht zu unterschätzen.

Während wir noch viele andere interessante Fakten erfahren, dürfen wir nochmal verkosten, diesmal direkt vom Rebstock. Kaum zu glauben, wie komplett anders schon die Trauben vom Blaufränkisch oder Rösler schmecken. Auch Zweigelt und Cabernet lassen sich nicht vergleichen. Zum Schluss dürfen wir für die Heimreise noch ein paar Trauben lesen. Mit Blaufränkisch- und Syrah-Trauben und vielen unvergesslichen Eindrücken von dieser spannenden Weinreise im Gepäck verabschieden wir uns und machen uns auf den Weg nach Hause.

WEINGUT HEINRICH GMBH
Karrnergasse 59
A-7301 Deutschkreutz
Burgenland
T: +43 (0)2613 89615
office@weingut-heinrich.at / www.weingut-heinrich.at