Erst die Arbeit, dann der Genuss

Seit 42 Jahren bewirtschaften Theresia und ihre Familie die Alpe Obere Falz. <br> Text: Carmen Burtscher, Fotos: Christian Kerber

Pause macht Theresia Schneider selten. Dafür gibt es während des Alpsommers einfach viel zu viel zu tun. Gemeinsam mit Mann Georg und ihren zwei Söhnen Christof und Stefan bewirtschaftet die Sennerin die Alpe Obere Falz in Egg-Schetteregg. Hier entstehen unter anderem Sutterlüty’s Alpbutter und Sutterlüty’s Alpzieger, eine traditionelle Bregenzerwälder Spezialität aus Molkeeiweiß. Wir haben Theresia Schneider an einem wundervollen Frühsommertag auf der Alpe besucht.

Die Sonne ist uns dicht auf den Fersen, als wir wie vereinbart um halb sechs Uhr morgens bei der Alpe Obere Falz ankommen. Es verspricht ein strahlend schöner, heißer Sommertag zu werden. Doch noch ist es angenehm kühl und absolut ruhig hier oben auf 1200 Metern. Lediglich das stetige Bimmeln der Kuhglocken untermalt akustisch das morgendlich-meditative Grasen ihrer Trägerinnen. Als wir vorfahren – was hier zum Glück in Ausnahmefällen möglich ist –, tritt auch schon Theresia Schneider vor die urige Hütte und winkt uns zu. In ihrer weißen Sennschürze wirkt sie fast wie einem Werbeprospekt für „Urlaub im Bregenzerwald“ entsprungen.

Dabei ist Urlaub für Theresia Schneider beinahe ein Fremdwort. Auch jetzt hat sie ihre Arbeit nur kurz unterbrochen, um uns zu begrüßen. Wie jeden Tag um diese Zeit ist sie schon dabei, Butter zu machen. Das wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Darum stellen wir nur rasch das Auto aus dem Weg und folgen Theresia in die renovierte Sennküche der über 300 Jahre alten Hütte.

Natürliche Reifung in der Gepse

Hier steht, aufgeteilt auf über 20 randvolle Gepsen – große Holzschüsseln –, die Milch vom Vorabend. Der Rahm hat sich bereits abgesetzt und wartet förmlich darauf, abgeschöpft zu werden. Wie alles, was Theresia Schneider beim Sennen macht, hat auch das Reifen der Milch über Nacht in den traditionellen Holzgepsen einen jahrzehnte- und manchmal sogar jahrhundertelang überlieferten Grund: „Die Milchsäurebakterien, die sich in den Gepsen befinden, regen ganz natürlich die Reifung der Milch an. Darum brauchen wir keine Zusätze zum Verarbeiten“, erklärt Theresia, während sie mit einer breiten Kelle den Rahm abschöpft und in das Butterfass gießt. Anders als die Gepsen, die zum Teil schon über 70 Jahre in Gebrauch sind, ist das automatische Butterfass aus Edelstahl relativ neu. „Das haben wir vor fünf Jahren angeschafft. Das erleichtert die Arbeit enorm“, sagt Theresia. Sie schließt den Deckel und drückt auf einen Knopf, um die Butter das erste Mal schlagen zu lassen.

Einen Teil der abfließenden Buttermilch fängt Theresia auf, um das hölzerne Buttermodel darin einzuweichen. Schließlich soll die Butter darin später nicht festkleben. Den Rest der Buttermilch bekommen die Alpschweine, die im Stall im Nebengebäude schon hungrig auf die milchige Köstlichkeit warten. Während das Butterfass seine Arbeit tut, verschwindet Theresia und kommt mit zwei Eimern eiskaltem Alpquellwasser zurück.

„Das Geheimnis beim Buttern liegt zu einem wesentlichen Teil im Wasser“, verrät sie, gießt das quellfrische Nass in das Butterfass und lässt die Butter weiter schlagen. Das macht sie so lange, bis das Wasser, das seitlich aus dem Fass abrinnt, nicht mehr milchig ist. Zu lange allerdings darf man die Butter auch nicht schlagen, sonst wird sie zu hell. „Eine g’hörige Alpbutter gehört einfach gelblich“, ist Theresia überzeugt. Und wenn das jemand weiß, dann ja wohl sie.

Seit sie denken kann, macht Theresia schon Alpbutter, Alpkäse und den berühmten Zieger. Früher auf der Alpe ihrer Eltern, und seit sie und Georg verheiratet sind, hier auf der Oberen Falz. Butter und Zieger stellt sie exklusiv für Sutterlüty her, den Alpkäse vertreibt Familie Schneider selbst. Jahr für Jahr leben die Schneiders von Ende Mai bis Ende September hier auf der Alpe. Mit 45 Milchkühen und jahrelang mit Kind und Kegel. Heute sind nur noch Christof und Stefan mit auf der Alpe. Zusammen mit Vater Georg kümmern sich die beiden um die Tiere. „Die Braunviehzucht ist Stefans und Christof´s Leidenschaft, da haben sie schon einige tolle Erfolge erzielt“, erzählt Theresia nicht ohne Stolz.

Leicht gelblich – genau so muss eine g’hörige Alpbutter sein!

Wie aufs Stichwort treibt Stefan gerade in dem Moment die Kühe zurück in den Stall. Bis die Männer die Kühe gemolken haben, muss auch die Butter fertig sein: Das bedeutet, nochmal von Hand jedes Stück Butter in kaltem Wasser kneten, ins Holzmodel drücken und dann in Pergament einschlagen, Etikett drauf und ab in die Kühlung. Genau so, wie die Butterklötze die Alpe verlassen, kommen sie wenig später bei Sutterlüty ins Kühlregal.

Sömmern statt schwitzen

Weil die Kühe auf der Oberen Falz noch gesömmert werden, sind die Tage für Georg, Christof und Stefan besonders lang. Denn schon um vier Uhr morgens kommen die Tiere hinaus auf die Alpweide. Dann geht es um sieben, halb acht zurück zum Melken in den Stall. Um ca. zwei, halb drei am Nachmittag dürfen dann die Kühe noch einmal bis um circa halb acht auf die Weide. Das hat den Vorteil, dass sie die Mittagshitze im kühlen Stall verbringen und die frischen Morgenstunden und den lauen Abend im Freien. Denn bei Temperaturen zwischen 5 °C und 15 °C fühlen sich Kühe am wohlsten.

Kühe, die Milch geben, produzieren zusätzlich Wärme und tun sich noch schwerer, ihre Körpertemperatur herunterzukühlen. „Natürlich ist es mehr Aufwand, die Kühe zweimal am Tag hinaus und wieder herein zu bringen. Darum tut sich das heute kaum mehr jemand an. Aber für das Vieh ist es halt besser, darum machen wir das gerne“, erzählt Theresia. Dass das Wohl ihrer Tiere den Schneiders tatsächlich am Herzen liegt, merkt man auch im allgemeinen Umgang. Hier wird weder geschrien noch mit Stöcken „nachgeholfen“, wenn eine Kuh nicht gleich den gewünschten Weg einschlägt. „Wir sind auf die Tiere angewiesen“, stellt Georg klar, „da haben sie sich ein bisschen Respekt mehr als verdient.“

Das können wir nur unterschreiben – vor allem, wenn wir sehen, was für Mengen an Milch da gerade vom morgendlichen Melken direkt in den riesigen Sennkessel aus Kupfer laufen. Auch die Milch aus den Gepsen kommt hier dazu. Jede einzelne der 23 Gepsen, von denen eine rund 20 Liter Milch fasst, trägt Theresia aus der kleinen Butterkammer zum Sennkessel und schüttet die Milch hinein. Denn jetzt geht es ans Alpkäse-Machen. Dazu wird die Milch auf Temperatur gebracht und mit selbst angesetzten Lab-Kulturen versetzt. Mit seinen 800 Litern Fassungsvermögen ist der Kessel heute randvoll. Vorsichtig zieht Theresia die Käseharfe durch den Bruch, damit ja nichts von dem wertvollen Tagwerk der Kühe verloren geht.

Dann kommt der anstrengendste Teil: Mit einem großen Senntuch taucht die erfahrene Sennerin tief in den Kessel und zieht ein ums andere Mal mit Hilfe eines urigen Flaschenzugs den triefnassen Bruch heraus, um ihn im Käsereifen zu Laiben zu formen und zu pressen. Was nach dieser kräftezehrenden Prozedur im Kessel übrig bleibt, wird noch einmal aufgekocht. „Das ist der Seagen“, erklärt Theresia. Früher war diese „Sennsuppe“ ein wesentlicher Teil der Verpflegung auf der Alpe. Heute kommen manchmal Gäste extra vorbei für einen Teller
der heißen Molkesuppe, die ganz ohne Gewürze auskommt.

Vom Seagen zum Zieger

Aus dem, was übrig bleibt, und das ist mehr als genug, stellt Theresia Schneider eine weitere traditionelle Alp-Spezialität her: Den Zieger. Dieses topfenartige Molkeerzeugnis ist eine für den Bregenzerwald typische Spezialität. Seinen Namen hat der Zieger vom Schabzigerklee, jenem Kraut, dem er auch seine grünliche Farbe und seinen charakteristischen Geschmack verdankt. Doch bevor das Kraut und die weiteren Gewürze wie Salz, Pfeffer und etwas Kümmel dazukommen, sind noch einige Arbeitsschritte zu erledigen.

Der Seagen wird noch länger gekocht, bis er die richtige Konsistenz erreicht. Die sowohl optisch als auch vom Geruch her stark an Topfen erinnernde Masse wird in einem speziellen Gefäß, der „Bise“, gesammelt. Jeden Tag kommt der frische, noch heiße Seagen dazu, bis drei, mindestens aber zwei Wochen, bevor der Mond in die Waage wandert. So lange muss der Zieger nämlich gären, bis er durch den Ziegerdrucker gedrückt und eingesalzen wird. „Wir machen den Zieger seit jeher bei Mondzeichen Waage, das scheint einen Einfluss für die Haltbarkeit zu haben. Uns jedenfalls ist noch nie einer schlecht geworden“, klärt Theresia das Mond-Mysterium auf.

Wir machen den Zieger seit jeher bei Mondzeichen Waage, das scheint einen Einfluss für die Haltbarkeit zu haben.

Auch nach dem Einkneten der Gewürze und dem Abfüllen in Gläser ist der Zieger enorm lange haltbar. Bis zu eineinhalb Jahre kann man Sutterlüty’s Alpzieger bedenkenlos aufbewahren. Vorausgesetzt, man hat ihn nicht lange vorher schon genüsslich zu einer Scheibe Bauernbrot oder „gsotta Grumbora“ verspeist. Und selbst wenn, für die nächsten Jahre ist der Nachschub in jedem Fall gesichert, denn ans Aufhören denkt Theresia Schneider noch lange nicht. „Vielleicht machen wir mal wieder zwei, drei Tage Urlaub. Aber aufhören? Dazu bin ich viel zu gerne Sennerin“, lacht sie und widmet sich wieder ihrer Arbeit.

Neugierig geworden?

Gegen Voranmeldung lässt sich Theresia Schneider gern beim Käsen,
Alpbutter- und Ziegermachen über die Schulter schauen. Und hungrige
Wanderer sind sowieso jederzeit willkommen!

Alpe Obere Falz Egg-Schetteregg
Fam. Georg und Theresia Schneider
T: +43 (0)664 / 3744794
schneider.georg@utanet.at