Frühsommersprosse

Mit dem Anbau von Erdbeeren haben sich Martin und Peter Winder schon längst einen Namen gemacht. Heute ist der Winderhof im ganzen Land der Inbegriff für fruchtige Beeren und süße Zwetschken aus dem Ländle. Seit Kurzem haben die umtriebigen „Beeren-Brüder“ ein neues Projekt: weißen Ländle-Spargel. Wir waren bei der  Spargelernte mit dabei.

Als gelernter Konditor hat Peter Winder mit dem frühen Aufstehen kein Problem. So ist er auch an diesem sonnigen Maimorgen um halb sieben schon bestens gelaunt und voller Tatendrang, als wir im Dornbirner Ried eintrudeln. Hier erwartet uns ein für Vorarlberg ungewöhnliches Bild: Lange, mit Folie bedeckte Erddämme ziehen sich über das Feld. Aber wo ist der Ländle-Spargel? Kaum haben wir die Ärmel hochgekrempelt, deutet uns Peter, mit ihm gemeinsam die schwere Schutzfolie zur Seite zu heben. „Schaut, da kommen die Spargelköpfe an der Folie an – der muss jetzt raus“, erklärt er und legt mit den Händen vorsichtig ein Stück der weißen Spargelstange frei. Dass die Beerenbauern jetzt im Ländle auch erfolgreich Spargel anbauen ist der Tatsache geschuldet, dass die Brüder einfallsreich, mutig und immer offen für den Rat von Experten sind.

TIEF VERWURZELTER UNTERNEHMERGEIST

Das Interesse für Obstbau war bei Martin und Peter Winder immer schon da. Als der Vater, ein Landwirt im Dornbirner Oberdorf, 1989 so langsam ans Aufhören dachte, wurde es für den damals 19-jährigen Schreiner Martin und den 18-jährigen Konditor Peter konkret. „Ursprünglich wollten wir Äpfel anbauen. Davon hat man uns aber abgeraten und uns auf die Idee mit den Erdbeeren gebracht.“ Dass es weder an Talent für den Obst- und Gemüseanbau noch an Geschäftstüchtigkeit mangelt, hat Peter schon in der Volksschule bewiesen: „Ich wollte unbedingt ein Schlauchboot und ein Zelt haben. Das Geld dafür haben meine Schwester und ich mit dem Anbau und dem Verkauf von Schnittlauch verdient.“ Wir sind beeindruckt, auf diese Idee muss man als 8-Jähriger erst mal kommen.

Vorsichtig schiebt Peter Winder den Spargelstecher in den Boden und sticht den weißen Spross knapp über der Wurzel ab.

DAS GUTE IM LÄNDLE-SPARGEL Mit seinem hohen Wassergehalt (ca. 95 %) und mit nur 18 kcal/100 g ist Spargel sehr figurfreundlich. Dazu kommt ein besonders hoher Gehalt an Mineralstoffen wie Kalium, Kalzium und Magnesium sowie an den Vitaminen B1, B2 und Folsäure. Die enthaltene Asparaginsäure wirkt auf den Körper entwässernd und ist für das typische Spargelaroma verantwortlich.

Auch als es dann in Sachen Erdbeeren ernst wurde, wusste Peter sich zu helfen. „Wenn man keine Ahnung hat, muss man die Gnade haben, jemanden zu fragen, der sich auskennt“, grinst Peter. „Am Anfang haben wir einfach eine Fachzeitschrift abonniert.“ Schritt für Schritt haben sich die Brüder dann über die Jahre im direkten Austausch mit anderen Obstbauern mit Anbau, Pflege und Ernte von Erdbeeren, anderen Beeren und Steinobst vertraut gemacht. Von Jahr zu Jahr sind so das Know-how, das Sortiment und natürlich auch das Arbeitspensum gewachsen. „Nach zehn Jahren waren wir dann so weit, dass wir unsere ursprünglichen Berufe an den Nagel hängen konnten. Bis dahin hatten wir, wenn es hoch kommt, vielleicht insgesamt drei Tage Urlaub.“ Heute reist vor allem Peter auch wieder häufiger. Aber auch hier lässt er keine Gelegenheit aus, Neues zu lernen. So ist er immer gern mit von der Partie, wenn sich Landwirte aus dem gesamten deutschsprachigen Raum zu mehrtägigen Fachstudienreisen aufmachen. Mit dabei bei solchen Reisen sind meist Bauern, die Erdbeeren und Spargel anbauen. Diese Kombination ist gerade in Deutschland üblich. Die Freundschaft mit einem der großen Erdbeer- und Spargelbauern aus dem Badischen war dann schlussendlich auch verantwortlich dafür, dass die Winders ebenfalls den Schritt in den Spargelanbau gewagt haben. Dafür hat es aber doch ein bisschen Überredungskunst gebraucht. Denn Peter hat sich lange gesträubt, auch nur einen Versuch zu wagen. „Ich war fest überzeugt davon, dass es bei uns in Vorarlberg zu viel regnet“, erinnert er sich. „Aber unser Bekannter war so begeistert von der Idee, dass er es tatsächlich geschafft hat, uns mitzureißen.“ 2014 haben die Winders dann tatsächlich das erste Mal Spargel angepflanzt – auf dem Feld, auf dem wir heute stehen. „Wir fangen immer vorsichtig an und schauen mal, ob alles so funktioniert, wie wir uns das vorstellen. Das ist jetzt das zweite Jahr, in dem wir mit einer vernünftigen Ernte rechnen können – wenn alles gut geht“, orakelt Peter und deutet uns nochmals, mit anzupacken. Mit vereinten Kräften hieven wir die schwere Folie ganz vom Damm. Auf der ganzen Länge lugen da und dort Spargelköpfe aus dem Boden. Das, was wir als weißen Spargel kennen, ist eigentlich nur der Spross der Pflanze. „Wären die Erddämme nicht da, würde der Spargel viel früher aus der Erde kommen und sich grün färben. Dann hätten wir grünen Spargel“, erfahren wir. Wieder was gelernt: Weißer und grüner Spargel stammen von derselben Pflanze. Weil die Winders aber weißen Spargel ernten wollen, haben sie schon im Frühjahr mit einer speziellen Maschine Dämme gezogen, in denen die Spargelsprosse bis jetzt gewachsen sind. Wenn die Spitzen wie jetzt die Schutzfolie erreichen, kann der Spargel geerntet werden.

Dazu legt Peter eine weitere Spargelstange ein Stück weit von Hand frei. Dann schiebt er den Spargelstecher – so nennt man das brecheisenartige Erntegerät – in den Boden und schneidet damit die Spargelstange am unteren Ende ab. Die so „gestochene“ Spargelstange legt er vorsichtig in ein bereitgestelltes Holzkistchen. Jetzt sind wird dran! Nach ein paar unbeholfenen Versuchen geht uns das Spargelstechen erstaunlich leicht von der Hand – aber auch ziemlich in den Rücken. „Wie lange dauert denn die Spargelernte?“, wollen wir schon nach wenigen Minuten wissen und richten uns ächzend wieder auf.

WEISS ODER GRÜN? Bei weißem und grünem Spargel liegt der Unterschied nicht in der Sorte, sondern lediglich in der Anbaumethode. Würde der weiße Ländle-Spargel nicht in eigens angehäuften Erddämmen wachsen, wäre er bei der Ernte grün.

„KIRSCHEN ROT – SPARGEL TOT“

„Kirschen rot – Spargel tot“, sagt Peter. Wir schauen etwas ratlos. „So lautet die Bauernregel zum Ende der Spargelernte“, lacht er. „Am 24. Juni, also am Johannistag, endet ganz offiziell die Spargelsaison.“ Dieser strenge Terminplan hat sich unter Spargelbauern so eingebürgert und gibt der Spargelpflanze Zeit, sich für die kommende Saison zu regenerieren. Dafür werden nach der Ernte die Dämme abgefräst und die Spargelpflanze wächst auf ca. 1,5 m. Dabei entwickelt sie lange, fasrige Stängel mit fedrigen Blättern, so ähnlich wie Fenchelgrün. Damit kann die Pflanze über Fotosynthese Energie tanken, die im nächsten Jahr wieder in den Spargelspitzen stecken wird. Bei den Winders allerdings ist die Ernte meist schon früher zu Ende, weil um diese Zeit schon wieder die begehrten Ländle-Erdbeeren ihre volle Aufmerksamkeit erfordern. Langweilig wird es bei Winder Beeren also noch lange nicht. In der Hochsaison von März bis Oktober gibt es keinen Ruhetag im Betrieb. „Alleine würden wir das schon längst nicht mehr schaffen“, gibt Peter unumwunden zu. Glücklicherweise können die Winders sich seit vielen Jahren blind auf ihr Team verlassen. „Wir haben hier eine eingeschworene Clique, zehn bis 15 Leute aus Dornbirn, die bei uns während der Erntezeit für sechs Monate angestellt sind.“ Auch bei der arbeitsintensiven Pflege der Pflanzen sind die Mitarbeiter den Chefs eine wichtige Stütze. „Wir können ja nicht überall sein. Da muss man den Leuten einfach auch Vertrauen entgegenbringen.“ Eine Haltung, die von den Mitarbeitern mit viel Eigeninitiative, Lernfreude und Spaß an der Arbeit honoriert wird – auch wenn das Wetter einmal nicht so schön ist wie heute.

„ES HEAT, SO LANG’S HEAT“

Das Wetter – ein gutes Stichwort. Es hat schon einen Grund, warum in Vorarlberg vor allem Milchwirtschaft betrieben wird. Für den Obst- und Gemüsebau ist das Wetter häufig zu wenig stabil.“ Darum gibt es – wie bei allen Naturprodukten – auch beim Ländle-Spargel nur so viel und so lange es eben gibt. Da heißt es also rasch zugreifen und auch den kleinen und krummen Stangen eine Chance geben. „Je mehr Wert die Kundinnen und Kunden auf die Qualität statt auf die Optik legen, umso mehr Ländle-Spargel können wir anbieten“, spricht Peter einen wichtigen Aspekt an. Denn neben dem schönen, großen und geraden Spargel gibt es natürlich auch beim Ländle-Spargel immer wieder „Wunderlinge“, die gar nicht erst im Regal landen. „Dabei sind gerade die die Besten“, verrät uns Peter im Vertrauen und hält uns das Kistchen mit unseren selbst gestochenen – und tatsächlich etwas krummen – Spargelstangen hin. „Die habt ihr euch verdient“, lacht er. Mit diesem Lob und unserer Beute machen wir uns im wahrsten Sinne des Wortes vom Acker. Spargelstechen wird wohl nicht unser Hobby, aber aufs Mittagessen freuen wir uns jetzt umso mehr.

FAMILIE WINDER

Sebastianstraße 7
6850 Dornbirn
T: +43 (0)5572 / 31942
winderbeeren@web.de