Generationenwechsel beim Schafmilchbetrieb Gmeiner

Als vor zwanzig Jahren die ersten Schafe am Hof von Thomas und Brigitte Gemeiner in Bizau eingezogen sind, hätte niemand gedacht, dass diese drei Tiere den gesamten Betrieb umkrempeln würden. Verena Gmeiner war damals vier Jahre alt. Heuer übernimmt sie den Betrieb – und mit ihm rund 50 Mutterschafe. Ob auch Verena alles umkrempeln wird? Das haben wir vor Ort in Erfahrung gebracht.

Regionalstempel

Am Ortsrand von Bizau, ganz in der Nähe vom Bizauer Moos und seinem Barfußweg, geht es beschaulich zu. In aller Ruhe rupfen hier die Schafe von Familie Gmeiner duftende Kräuter und zarte Gräser oder genießen beim Wiederkäuen den Blick auf die Kanisfluh. Erst als Bauer Thomas und seine Tochter Verena an den Weidezaun treten, kommt Bewegung in die Herde; plötzlich blökt und mäht es in allen Tonlagen. „Die Damen wissen, dass es Zeit zum Melken ist“, schmunzelt Thomas.

Wie die Schafe nach Bizau kamen

Gemolken wurde bei den Gmeiners schon immer. Allerdings nicht immer Schafe. Bis Anfang der 2000er-Jahre war der Hof der Gmeiners, wie so viele andere auch, ein klassischer Milchbetrieb – mit zehn Kühen und mit Zukunftsangst. Von 0,29 Cent pro Liter, das war Thomas Gmeiner damals klar, würde er weder die Existenz des elterlichen Betriebes noch die seiner eigenen Familie sichern können. So weitermachen jedenfalls wollte er nicht. Also machte er sich auf die Suche nach einer Alternative – und wurde bei Schafmilch fündig. Er kaufte drei ältere ostfriesische Milchschafe und legte damit den Grundstein für einen gesunden Betrieb, den nun schon bald die nächste Generation übernehmen wird.

Von Generation zu Generation zu Generation

Apropos nächste Generation: Heute haben die Gmeiners rund 50 Mutterschafe im Stall, die allesamt von den ersten drei Schafen abstammen – zumindest mütterlicherseits. Denn alle zwei Jahre sorgen andere Böcke für gesunden Nachwuchs. „Abgesehen davon muss man sich kaum einmischen. Bei Schafen regelt die Natur alles Wesentliche selbst“, sagt Thomas. Wenn Bock und Aue, wie das Mutterschaf genannt wird, im August zusammenkommen, gibt es mit allergrößter Wahrscheinlichkeit fünf Monate später Nachwuchs. Zwei bis drei Lämmer bringt jede Aue in der Regel zwischen Jänner und März zur Welt. Fünf Wochen bleiben die Kleinen bei ihren Müttern. Dann, sobald sie selbst anfangen, Heu zu fressen, kommen sie in ein separates „Jugendzimmer“, den Lämmerstall. Einige der Lämmer werden im Anschluss an Bauern in der Umgebung verkauft, die meisten jedoch ziehen auf den „Fesslerhof“ in Eichenberg. Dort genießen sie den Sommer auf der Wiese, bis sie mit circa sechs Monaten ihr Schlachtalter erreicht haben.

Kein Bock auf Schafmilch?

Heute sind die Gmeiner-Schafe aus Bizau nicht mehr wegzudenken. Das war nicht immer so. Vor zwanzig Jahren hatte kaum jemand im Bregenzerwald Schafe. Schafmilch und die Produkte daraus waren beinahe exotisch – und die Skepsis war groß. „Des böckalat seachar“, war das häufigste Vorurteil, gerade gegenüber der Milch und dem Joghurt. Inzwischen haben die Gmeiners längst das Gegenteil bewiesen. Schafmilch ist mild und neutral im Geschmack. Mehr noch: Durch ihren hohen Fett- und Proteingehalt eignet sie sich sogar besonders gut für die Herstellung von Joghurt. Gehaltvoll ist es, aber dennoch besser verträglich. Denn die kurzkettigen und in sich kleineren Fettmoleküle der Schafmilch können vom menschlichen Organismus besser aufgenommen werden als jene aus Kuhmilch.

 

Von der Milch zum Joghurt

Nach dem Melken wird die frische, silofreie Schafmilch in der eigenen Sennküche direkt weiterverarbeitet. Wie alle ihre Schafmilchprodukte stellen die Gmeiners auch ihr Joghurt von Hand her. Warum? „Wegen dem Fingerspitzengefühl“, lacht Verena. Gelernt hat sie das Handwerk von ihrem Vater. Der war schon als Bub auf der Alpe und hat Käse gemacht. Alles andere hat er sich selbst und später seinen Töchtern beigebracht. Learning by doing, sozusagen. Ausprobieren tun die Gmeiners sowieso gerne. In der Sennküche wird immer wieder an neuen Produktideen und Geschmacksrichtungen getüftelt. Auch beim Joghurt wächst die Sortenvielfalt laufend. Neben dem Naturjoghurt gibt seit vielen Jahren Klassiker wie Himbeer, Erdbeer, Brombeer oder Marille – neu dazugekommen sind erst kürzlich Zwetschke-Dinkel, Müsli und Haselnuss. Wie bei ihrer Schafmilch achten die Gmeiners auch bei den anderen Zutaten auf höchste, möglichst regionale Qualität: Die Beeren und Zwetschken beispielsweise stammen vom Winderhof, der Dinkel vom Martinshof. Das Müsli und die Nussmischung kommen aus der Schweiz.

Übergabe im Sommer

Ursprünglich war geplant, dass auch Tochter Natalie (28) in den Betrieb mit einsteigt. Doch wie das Leben so spielt, kam es dann doch anders. Die Älteste der Gmeiner-Mädchen geht nun ihrem Hauptberuf als Diätologin in Vollzeit nach. Die „Mittlere“, Theresia, ist nach ihrem Studium in der Baubranche tätig. Verena, mit 24 Jahren die jüngste der drei Töchter, hat nach der Matura an der HLT eine Zeit lang im Tourismus gearbeitet. Dann aber hat sie gemerkt: Sie will in den Betrieb einsteigen. Ende 2019 hat sie genau das getan. Parallel dazu hat sie berufsbegleitend die Ausbildung zur landwirtschaftlichen Facharbeiterin an der Landwirtschaftsschule in Hohenems absolviert. Jetzt ist sie bereit, im Sommer den Betrieb zu übernehmen.

Ruhestand? Von wegen!

Ob Thomas und Brigitte Gmeiner jetzt wohl die Füße hochlegen? Von wegen! Vor allem die Pflege der Böden ist und bleibt das Hoheitsgebiet von „Mister Mister“, wie sich Thomas Gmeiner mit einem Augenzwinkern selbst nennt. Sein Geheimnis: Er verarbeitet den Stallmist zu Kompost und bringt ihn erst dann auf den Wiesen aus. Von Jahr zu Jahr wurden so der Heuertrag und die Artenvielfalt größer. Inzwischen haben die Gmeiners mehr Heu als ihre Schafe fressen können. Wie Papa Thomas ist auch Mama Brigitte am Hof nach wie vor unverzichtbar. Sie wird sich weiterhin um die Vermarktung, die Verpackung und das Aus-liefern zwei- bis dreimal pro Woche kümmern. Weitere Unterstützung erhält Verena von ihrem Partner Johannes. „Er hilft in jeder freien Minute“, freut sie sich. Für die Gmeiners gibt es nicht den geringsten Zweifel, dass der Betrieb bei Verena in den besten Händen sein wird. „Verena kann es sehr gut mit den Tieren“, sagt Thomas. Das liegt dem Schafzüchter b’sundrig am Herzen: „Den Tieren muss es gut gehen, dann funktioniert auch alles andere.“ Und gibt es nun etwas, das Verena umkrempeln möchte? „Nein“, lacht sie, „in der nächsten Zeit sicher nicht. Ich bin sehr dankbar dafür, wie meine Eltern den Betrieb bisher geführt haben. Die Qualität der Produkte und das Wohl der Tiere sind auch für mich das Allerwichtigste.“