Der Imker aus Zufall

Text: Carmen Burtscher, Fotos: Lukas Hämmerle

Bienen sind faszinierende Tiere. Dass es aber beileibe nicht immer Liebe auf den ersten Blick sein muss, kann Wanderimker Ferdl Herburger nur bestätigen. Die Geschichte, wie er zu seinen Bienen kam, ist legendär. Dass er dabei geblieben ist, liegt daran, dass er die Faszination kennen- und die unmittelbare Nähe zur Natur schätzen gelernt hat. Obwohl – oder gerade weil – die nach ihren ganz eigenen Regeln spielt.

Ursprünglich war geplant, dass wir Ferdl Herburger im Frühsommer in Oberlech treffen. Ein Teil seiner Bienen sollte dort Nektar für einen ganz besonderen Honig sammeln: Alprosen- und Bergblütenhonig. Doch das hat leider nicht geklappt. Letztes Jahr war es zu kalt. Dieses Jahr war es – vermutlich – zu trocken. So genau lässt sich das nicht sagen. Denn bei dem Naturprodukt Honig spielen viele Faktoren eine Rolle. Eine Tatsache, mit der man als Imker leben muss. Aber auch wir sind flexibel und besuchen Ferdl Herburger deshalb einfach auf seinem Hof in Sulzberg. Hier erzählt der Wanderimker uns von den Anfängen seiner Bienenzucht und seiner b’sundrigen Partnerschaft mit Sutterlüty.

Wie die Bienen zu Ferdl kamen

Mit den paar Schritten zum Bienenhaus, das hinter dem Hof direkt am Waldrand steht, machen wir gleich einen großen Sprung in die Vergangenheit. Genau 20 Jahre ist es her, dass Ferdl Herburger zu den Bienen gekommen ist – oder vielmehr die Bienen zu Ferdl. Dabei war der junge Landwirt damals alles andere als ein Bienenfreund. Auch sein Vater, mit dem er zu dieser Zeit gemeinsam auf dem Hof gearbeitet hat, mochte Bienen nicht besonders.

‚Wenn mir mal ein Schwarm zufliegt, dann fange ich an.‘ Natürlich in dem Glauben, dass das niemals passieren würde – bis es dann eben doch passiert ist.

„Josef Köss, ein befreundeter Imker hier in Sulzberg, wollte schon seit Jahren, dass mein Vater anfängt zu imkern. Der aber hat immer nur gesagt: ‚Wenn mir mal ein Schwarm zufliegt, dann fange ich an.‘ Natürlich in dem Glauben, dass das niemals passieren würde – bis es dann eben doch passiert ist“, erzählt Ferdl. Was uns heute zum Lachen bringt, war damals ein recht beeindruckendes Schauspiel: „Eines Tages ist es mitten am Nachmittag dunkel geworden. Wie eine riesige schwarze, summende Wolke ist der Bienenschwarm auf uns zugeflogen. Wir haben die Beine in die Hand genommen und sind gerannt.“ Nach einem „Notruf“ bei Josef Köss hat dieser den Schwarm eingefangen und mitgenommen. Damals dachte Ferdl, der Fall wäre damit für ihn erledigt. Aber am nächsten Tag stand eine Kiste samt den Bienen wieder vor der Tür. Und weil Ferdl keiner ist, der Tiere leiden lässt, hat er begonnen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Er hat Josef Löcher in den Bauch gefragt und gelesen, was er zum Thema Imkern finden konnte.

In guten Honigjahren kann es bis zu 40 Kilogramm Honig pro Volk geben

Während Ferdl mit uns plaudert, zieht er ganz selbstverständlich einen Rahmen nach dem anderen aus den Bienenkästen, prüft die Futterwaben und lässt die Bienen dabei seelenruhig auf seinen Händen herumkrabbeln. Wenn man ihm dabei so zuschaut, kann man kaum glauben, dass das nicht schon immer so war. Ferdl allerdings erinnert sich noch lebhaft an seinen ersten Fütterungsversuch: „Damals habe ich mir einen Vorhang-Stor umgehängt und Handschuhe angezogen. Dann habe ich meinen ganzen Mut zusammengenommen und ganz langsam die Kiste geöffnet“, beschreibt er die legendäre Szene, von der es leider keine Fotos gibt. „Ich hatte keine Ahnung, dass die Kiste so gebaut war, dass die Bienen auf diesem Weg zwar ans Futter gelangen, aber nicht heraus können.“ Nachdem nichts passiert ist, hat Ferdl die hungrigen Bienen alle paar Tage gefüttert und ist dabei immer mutiger geworden. „Zuletzt habe ich mich ganz ohne Schutzanzug hingetraut“, lacht er.

Heute füttert Ferdl seine Bienen mit einem speziellen Futtersirup aus Saccharose und ihren Bausteinen Fructose und Glucose – Schutzkleidung trägt er dafür schon lange keine mehr. Denn mittlerweile weiß er ganz genau, was seine Bienen zulassen und was nicht. Damals jedoch war alles noch Neuland, das ihn mehr und mehr faszinierte. Vor allem, als es Mitte September das erste Mal Honig gab. Neun Kilogramm konnte Ferdl – für ihn damals völlig überraschend – ernten. „Von da an war ich Imker.“ Bald darauf hat Ferdl weitere Völker dazugekauft und immer weiter ausgebaut.

Im Jahr 2003 gab es dann schon unglaubliche 3,5 Tonnen Honig. Das war der Zeitpunkt, an dem er expandieren musste: „20.000 Euro habe ich damals investiert und eine Schleuder und anderes professionelles Imker-Equipment angeschafft.“ Eine lohnende Investition, denn die Jahre darauf waren sprichwörtlich goldene Honigjahre.

Alleine hier in Sulzberg gibt es 700 Bienenvölker – und das bei 1.500 Einwohnern.

2007 dann wurde Sutterlüty auf den jungen Imker aus Sulzberg aufmerksam. „Als Jürgen Sutterlüty auf mich zugekommen ist, hatte ich wieder ein großartiges Honigjahr hinter mir“, erinnert sich Ferdl. „Und ab dem Moment, als ich zugesagt hatte, gab es drei Jahre so gut wie gar keinen Honig und ich konnte nicht liefern. Sutterlüty hat auf mich gewartet. Das hat mich ziemlich beeindruckt.“ Diese Treue zu seinen Lieferanten ist für den Nebenerwerbsimker auch ein Grund, warum er seinen Honig als Sutterlüty’s Blütencremehonig und Sutterlüty’s Waldhonig verkauft und nur einen kleinen Teil in seinem Hofladen direkt vertreibt. Das heißt, wenn es Honig gibt. In guten Honigjahren kann es bis zu 40 Kilogramm Honig pro Volk geben. Letztes Jahr hat es schon ganz früh aufgehört zu „honigen“. Dieses Jahr sieht es etwas besser aus. Für heuer rechnet der Nebenerwerbs-Imker mit circa sieben Kilogramm pro Volk. 150 davon betreut er an derzeit acht Standorten: vier im angrenzenden Allgäu, je einen in Hard und auf der Bregenzer Fluh und zwei in Sulzberg. Aber woran liegt das?

Ein Produkt, das von der Natur abhängt

Insgesamt ist Honig ein zu 100 Prozent von der Natur abhängiges Produkt, zu dessen Gelingen viele Faktoren zur richtigen Zeit stimmen müssen. Das Wetter und ausreichend Nahrungsquellen sind nur zwei davon. Am Mangel an diesen kann man auch nicht pauschal der Landwirtschaft die Schuld geben, ist Ferdl überzeugt. Als ehemaliger Landwirt kennt er die Situation von beiden Seiten und weiß, wovon er spricht. „Ausfälle gibt’s immer und hat’s schon immer gegeben. Da kann auch die Landwirtschaft nichts dafür. Zumindest nicht hier in Vorarlberg.“ Der erfahrene Imker vermutet, dass es nirgendwo so viele Bienen gibt wie hier. „Alleine hier in Sulzberg gibt es 700 Bienenvölker – und das bei 1500 Einwohnern.“ Anders sieht es in großen Ackerbaugebieten aus, wo mit Spritzmitteln gearbeitet wird. Das ist natürlich für die Bienen sehr wohl ein Problem. Hierzulande jedoch finden die Bienen genug Futter – wenn es nicht gerade zu trocken ist.

Die Bienen, die Blumen und die Bäume

Wie der Name schon vermuten lässt, sammeln die Bienen für Sutterlüty’s Blütencremehonig je nach Standort Nektar von Blumen und den ersten Baumblüten, etwa von Wiesenschaumkraut, von der Kirsche, vom ersten Löwenzahn und von Birnen- und Apfelblüten. Cremig wird der Honig durch langsames Schleudern über 14 Tage. Waldhonig hingegen machen die Bienen aus dem Honigtau der Läuse, die sich vom Pflanzensaft von Tannen, aber auch von Linden oder Ahorn ernähren. In manchen Jahren ist auch Fichte dabei. Das erkennt man an der etwas rötlicheren Farbe des Honigs. Weil Tannen tiefe Wurzeln bilden, setzt ihnen die Trockenheit nicht ganz so zu wie den Blühpflanzen. Dennoch müssen natürlich auch hier die Bedingungen für eine gute Honigtau-Ernte stimmen: Es muss genug Läuse geben, der Pflanzensaft muss das richtige Verhältnis von Eiweiß und Zucker aufweisen, und nicht zuletzt muss auch das Wetter während der Tracht stimmen, also in der kurzen Zeit, in der sich die Bienen auf das Sammeln einer bestimmten Sorte Nektar oder eben Honigtau konzentrieren.

„Während der Tracht sollte mindestens 14 Tage schönes Wetter sein“, lernen wir. Denn der Honigtau soll an der Nadel hängen bleiben, dass die Biene nur hinfliegen und die Tropfen aufsaugen muss. Das Wetter war zwar meistens gut, doch die Waldtracht hat so spät eingesetzt, dass Ferdl den Waldhonig dieses Jahr seinen Bienen als Proviant für den Winter überlassen hat.

Weil es so trocken war, ist die Honigernte von diesem Jahr b’sundrigs wertvoll!

Man weiß nie genau, was kommt

Mit seiner Erfahrung und seinem Fachwissen kann Ferdl Herburger vieles im Verlauf eines Honigjahres schon früh prognostizieren. Manches allerdings, wie beispielsweise die ungewöhnlich langen Trockenphasen, die es dieses Jahr gab, muss auch er nehmen, wie es kommt. Das war für Ferdl auch der Grund, warum er sich für die Imkerei im Nebenerwerb entschieden hat. Auch die Landwirtschaft, die er noch bis im letzten Jahr betrieben hat, hat er aufgegeben und ist nun in der Erdbewegung tätig. „Das gibt mir die wirtschaftliche Sicherheit, meine Bienen halten zu können“, erklärt Ferdl. Denn für ihn sind die Bienen mehr als nur Honiglieferanten. „Wenn ich bei den Bienen bin, dann bin ich komplett eins mit der Natur. So nahe dran ist man sonst nirgends. Bienen sind ein Barometer für das Wohlbefinden aller. Da ist man direkt am Puls der Erde“, gerät der Imker ins Schwärmen.

Das Bienenjahr 2018 ist bereits um. Jetzt, Anfang Oktober, sind die fleißigen Tierchen mit Nahrung versorgt, mit natürlichen Mitteln gegen Varroa-Milben, die wohl größte Gefahr für Bienen, behandelt und befinden sich in Winterruhe. „Kann man vielleicht schon sagen, was das nächste Jahr bringen wird?“, wollen wir abschließend wissen. „Vermutlich gibt es nächstes Jahr wieder Waldhonig. Es hat sich jedenfalls eine vielversprechende Tracht aufgebaut“, prognostiziert Ferdl. Das bedeutet allerdings, dass das Projekt „Alpenrosenhonig“ für noch ein weiteres Jahr aufgeschoben sein könnte. Denn die Wanderschaft nach Lech wird Ferdl seinen Bienen erst dann wieder zumuten, wenn es vor seiner Haustür nicht ohnehin mehr als genug Nahrungsquellen gibt. Und wenn es dann so weit ist, werden wir auf jeden Fall wieder vorbeischauen.

Ferdl Herburger – Wanderimker
Schönenbühl 305
6934 Sulzberg
+43 (0)664 / 644 3389

WORAUS BESTEHT HONIG?

Enzyme aus dem Bienenmagen lassen aus Nektar oder Honigtau Honig werden. Das flüssige Gold besteht zu ca. 80 % aus Zucker (Glucose und Fructose) und zu 17 % aus Wasser. Die restlichen 3 % entfallen auf über 100 Inhaltsstoffe wie Proteine, Enzyme, Aminosäuren, Mineralstoffe, Vitamine sowie natürliche Farb- und Aromastoffe.

Schwarm-Wissen

  • Eine Biene ist ca. 100 mg schwer
  • Für 1 kg Honig müssen Bienen ca. 3 kg Nektar sammeln
  • Dafür legen die Bienen, je nachdem, wie weit die
    Nahrungsquellen entfernt sind, 40.000–120.000 km zurück. Das entspricht ca. dem ein- bis dreifachen Erdumfang
  • 50 mg Nektar kann eine Biene in ihrer Honigblase aufnehmen. Dafür muss sie, je nach Blütenart, 15–100 Blüten anfliegen. Die Honigblase ist eine Art Kropf, in dem die Biene den gesammelten Nektar in den Bienenstock trägt
  • Für 1 kg Honig muss eine Biene also 60.000-mal ihre Honigblase füllen und dafür 900.000 bis 6 Millionen Blüten besuchen