Interview mit Gerhard Fehr: Wer soll das bezahlen?

Der gebürtige Vorarlberger Gerhard Fehr ist Verhaltensökonom und Delegierter des Verwaltungsrats, Partner & Behavioral Designer der in Wien und Zürich ansässigen FehrAdvice & Partners AG. Mit evidenzbasiertem Wissen über menschliches Verhalten schafft das Unternehmen nachhaltige Lösungen für die wichtigen Fragen unserer Zeit. Fehr Advice kommt dann ins Spiel, wenn es kompliziert wird. Für Unternehmen, Politik, Wirtschaft und für die Menschen.

Was wir jetzt sehen, ist eine typische Smoking-gun-Situation

Wir erleben gerade eine der höchsten Inflationen der letzten Jahrzehnte. Dazu kommt eine Energiekrise. Sind wir noch zu retten?

Die Inflation wie wir sie derzeit erleben, ist hauptsächlich angebotsseitig. Deshalb hat die Europäische Zentralbank relativ spät reagiert und erst Mitte September die Leitzinsen um 0,75 Prozent angehoben. Dadurch wird Geld teurer, die Nachfrage geht zurück und der Markt kann sich erholen. Dass eine Energiekrise mit Inflation in Verbindung steht, ist allerdings neu.

 

Wie wirkt sich das Eine auf das Andere aus?

Was wir jetzt sehen, ist eine typische „Smoking-gun“-Situation. Als Gesellschaft tun wir uns schwer, langfristige Probleme anzugehen, wenn wir nicht vor einer akuten Bedrohung stehen. Um wirksam gegen den Klimawandel vorzugehen, müssen wir unser Konsumverhalten ändern. Der Russland-Ukraine-Krieg und die damit verbundene Gas-Knappheit zwingen uns jetzt zu üben, wie wir unser Verhalten umstellen und uns Konsummuster aneignen können, die auch noch von zwei oder drei Generationen nach uns gelebt werden können. Ich persönlich sehe das als Chance.

 

Woran denken Sie zum Beispiel?

Das beginnt beim Senken der Durchschnittstemperaturen in der Wohnung und ist auch bei der Frage noch lange nicht zu Ende, ob es ein Urlaub auf den Seychellen sein muss oder ob es vielleicht doch Süditalien wird. Solche Maßnahmen sind zwar nicht inflationsdämpfend, aber sie sind budgetschonend.

Und welche Auswirkungen hat die jetzige Situation auf ganz alltägliche Konsumentscheidungen?

Für Menschen mit geringem finanziellem Spielraum kann es tatsächlich zu einer Einschränkung der Wahlmöglichkeiten kommen, wofür ich nun das Geld, das mir zur Verfügung steht, ausgebe. Für die meisten jedoch ist die Entscheidung für energiesparendere Alltagsroutinen beziehungsweise für Regionalität und Qualität beim Lebensmitteleinkauf nach wie vor eine, die ganz bewusst getroffen werden kann.

 

Und welchen Handlungsspielraum hat ein Unternehmen wie Sutterlüty, um mit den aktuellen Preissteigerungen bestmöglich umzugehen?

Wenn ich als Unternehmen so viel höhere Energiekosten habe, kann ich weder die vollen Kosten selbst tragen noch alle Kosten umlegen. Die Zusatzkosten müssen im Normalfall zwischen Lebensmittelhändler und Konsument*innen aufgeteilt werden. Diese Preiserhöhungen erfolgen in der Regel nicht mutwillig, sondern sind notwendig, damit Arbeitsplätze und die Versorgung mit regionalen Lebensmitteln gesichert sind und damit auch die Qualität erhalten bleibt.