Ein Ort der kulturellen Lustbarkeiten

Der sanfte Schleier aus Bühnennebel leuchtet mattweiß im gedämpften Scheinwerferlicht. Leise Klavierklänge tröpfeln in den Zuschauerraum und zerplatzen an der gespannten Stille. Ein Wimpernschlag noch, und dann ist es endlich so weit: Die Show beginnt und zieht das Publikum in ihren Bann, wie es nur die kulturellen Lustbarkeiten im Freudenhaus vermögen.

Wer gelegentlich vom Messepark aus Richtung Lustenau fährt, dem ist es mit Sicherheit schon einmal ins Auge gesprungen: Jenes farbenfrohe Gebäude im Varieté- Stil, das eigentlich gar kein Gebäude, sondern ein Zelt ist. Allerdings eines, das es in sich hat: Kabarett, Theater, Performances, Konzerte und vor allem zeitgenössische Zirkuskunst stehen hier im Freudenhaus seit Ende April endlich wieder auf dem Programm. „Wir wollen ein abwechslungsreiches und vor allem nicht alltägliches Programm bieten“, sagt Lisa-Marie Berkmann. Und Roman Zöhrer ergänzt: „Der Schwerpunkt liegt dabei ganz klar auf zeitgenössischem Zirkus.“ Seit Mai 2020 leiten der Obmann und die Vize-Obfrau den gemeinnützigen Kulturverein Caravan – und damit das Freudenhaus als Haupt-Veranstaltungsort. Dass es gerade der zeitgenössische Zirkus ist, der es ihnen angetan hat, erklären die beiden so: „Bei so einer Show weiß man nie, was einen erwartet. Wenn unsere Gäste sagen: ‚Wow, so etwas habe ich noch nie gesehen!‘, dann haben wir unser Ziel erreicht.“

Akrobatik trifft Theater

Was zeitgenössischen Zirkus so besonders macht, ist die Verbindung von Theater und Akrobatik. „Zeitgenössischer Zirkus erzählt eine Geschichte“, erklärt Lisa-Marie, „meistens ohne Text, dafür spielt Musik eine wichtige Rolle.“ Das Freudenhaus als Veranstaltungsort ist dafür wie geschaffen. Wegen des Ambientes sowieso, aber auch wegen der Höhe des Zeltes, die extra so adaptiert wurde, dass internationale
Trapezkünstler*innen auftreten können. Doch auch die heimische Szene, so klein sie sein mag, profitiert von der Affinität zu Akrobatik und Artistik der Freudenhaus-Betreibenden: Am 8. und 9. Oktober tritt beispielsweise das Jugendensemble der Zirkushalle „Zack & Poing“, einer Zirkusschule in Dornbirn, im Freudenhaus auf. Insbesondere Roman liegt die Nachwuchsförderung sehr am Herzen. Für ihn wäre es eine Bereicherung der heimischen Sportszene, wenn es an den Sportmittelschulen oder -gymnasien ein Freifach für zeitgenössischen Zirkus gäbe. Damit stünde auch für Schüler*innen aus Österreich der Weg an eine internationale Zirkusschule offen. Es könne schließlich nicht jeder Skiweltmeister*in werden.

PROGRAMM-TIPP im Mai

C!RCA (zeitgenössischer Zirkus)
22.–25. Juni 2022, jeweils 20.30 Uhr

Eine spannende und herzzerreißende
Zirkusshow auf höchstem
Niveau, in der die Grenzen zwischen
Bewegung, Tanz, Theater und
Performance verschwimmen.

Ein lebendiger Verein – und richtig viel Arbeit

Ein außergewöhnliches Programm für so eine außergewöhnliche Location auf die Beine zu stellen ist viel Arbeit. Und das nicht nur in Zeiten, in denen eine Pandemie längerfristige Planungsversuche über zwei Jahre hinweg im Keim erstickt hat. „Ich ziehe meinen Hut davor, was Willi da aufgebaut und gemanagt hat“, streut der jetzige Obmann seinem Vorgänger und Vereinsgründer Willi Pramstaller Rosen. „Ohne Lisa-Marie wäre das für mich gar nicht zu machen“, sagt er. Vier Hände reichen jedoch bei Weitem nicht, um eine Veranstaltung im Freudenhaus reibungslos abzuwickeln. Immerhin stehen in dem knapp 500 m2 großen Zelt je nach Bestuhlung zwischen 200 und 320 Sitzplätze oder 500 Stehplätze zur Verfügung. Rund 40 aktive Vereinsmitglieder im Alter von 26 bis 68 Jahren helfen mit, jeweils sechs bis zehn Personen sind bei einer Show ehrenamtlich im Einsatz, von der Abendkassa über die Bar bis zum Backstage-Bereich. Dass der Verein gerade in letzter Zeit so regen Zulauf von jungen Interessent*innen bekommt, freut die Verantwortlichen ganz besonders.

Die Reise geht weiter

Auch das Freudenhaus bleibt in Bewegung. „Im kommenden Frühjahr werden wir mit dem Zelt noch einmal umziehen“, sagt Roman. 2004 wurde das Freudenhaus erstmals an der Seepromenade in Bregenz aufgestellt. 2009 kam das Musik- und Theaterzelt im Winter das erste Mal nach Lustenau und wurde in der Folge einige Jahre lang auf- und wieder abgebaut. Seit 2016 ist das Theaterzelt nur noch in Lustenau beheimatet. Am jetzigen Standort jedoch werden demnächst neue Bürogebäude entstehen. Wohin die Reise für das Freudenhaus geht, ist noch nicht ganz klar. Man hofft jedoch, in Lustenau bleiben zu können. Schließlich sei die Zusammenarbeit mit der Gemeinde hervorragend und das Freudenhaus inzwischen fest hier verankert. Das aktuelle Programm jedenfalls wird noch an Ort und Stelle gespielt. Die Hoffnung lebt, dass Corona die Veranstaltungstermine in dieser Saison nicht mehr so durcheinanderwirbelt wie in den vergangenen beiden Jahren. „Wir sind guter Dinge, dass wir dieses Jahr alle Shows durchbringen werden und damit den Besucher*innen einen Grund zur Freude verschaffen“, meint Lisa-Marie, und Roman ergänzt: „Ich bin mir sicher: Wer zu einer Show ins Freudenhaus kommt, ist danach um mindestens zehn Prozent glücklicher.“

FREUDENHAUS
Dornbirner Straße, beim Millennium Park
6890 Lustenau
office@caravan.or.at
freudenhaus.or.at