Immer langsam mit den jungen Rindern


Insgesamt 15 Bio-Betriebe in Vorarlberg züchten Bio-Weiderinder für Sutterlüty. Einer davon ist jener von Ruth und Andreas Metzler. Wir haben sie bei der Sommerfrische auf ihrem Maisäß am Ludescherberg besucht.

Die Bio-Weiderinder von Ruth und Andreas Metzler in Ludesch haben es gut. Den rund 30 Tieren stehen nämlich gleich zwei Sommerresidenzen zur Verfügung: das Maisäß der Familie am Ludescherberg und die Gadenalpe im Biosphärenpark Großes Walsertal. Während der Großteil der Herde die Sommermonate auf der Alpe verbringt, bleiben jene Tiere am Ludescherberg, die entweder zu alt, zu jung oder noch nicht kräftig genug für einen Alpsommer sind. Hier statten wir der Familie Metzler heute einen Besuch ab.
Als wir ankommen, werden wir jedoch zuallererst von einer meckernden Ziege empfangen. Dicht gefolgt von Ruth, die das Tier gerade noch davon abhalten kann, den Rucksack mit der Fotoausrüstung anzuknabbern. „Das ist Lilly“, macht sie uns bekannt, „wenn es irgendwo raschelt, steht sie sofort da.“

Enttäuscht, dass es nichts zu futtern gibt, räumt Lilly das Feld und wir gehen mit Ruth die paar Schritte zum Wirtschaftsgebäude mit angrenzendem Stall – oder vielmehr dem, was ein neuer Stall werden soll. Hier begrüßt uns Andreas mit einem entschuldigenden Kopfnicken in Richtung der Baustelle hinter ihm. „Wir renovieren gerade.“
Trotz Baustelle ist es hier oben herrlich ruhig und die Tiere haben mehr als genug Platz.
Neben den Rindern und Ziege Lilly ist hier nur eine Handvoll Schafe ganzjährig mit der Rasenpflege beauftragt. In einem kleinen Fischteich vor dem Haus tummeln sich außerdem ein paar wunderschöne Forellen. „Mein Großvater war mit seinen Milchkühen den ganzen Sommer hier oben“, erinnert sich Andreas. „Er hat hier sogar gesennt.“ Auch Ruth und Andreas hatten anfänglich Milchkühe, haben jedoch die Milchwirtschaft schon vor einigen Jahren an den Nagel gehängt.

„Milchkühe sind in der Haltung sehr zeitintensiv, da muss man einfach da sein“, erklärt uns der passionierte Nebenerwerbslandwirt. Wie er sind auch alle anderen Mitglieder der Familie berufstätig.
Ruth arbeitet im Winter bei der Caritas und in den Sommermonaten packt sie in einer Gärtnerei mit an. Sohn David hat die Landwirtschaftsschule absolviert und eine Lehre zum Schlosser gemacht. Tochter Lea-Maria ist beruflich in der ganzen Welt unterwegs.
Weil die Metzlers den Hof als Milchbetrieb im Nebenerwerb nicht so führen konnten, wie sie sich das vorgestellt hatten, haben sie erst auf Mutterkuhhaltung und vor gut drei Jahren schlussendlich auf Rindermast umgestellt.

Echte Vorarlberger
Den Rindern, die direkt neben dem Haus in aller Seelenruhe vor sich hingrasen, scheint das ganz recht zu sein. Zufrieden fressen sie das sattgrüne Gras und lassen dabei ihre Glocken leise bimmeln. Wie alle Rinder bei den Metzlers sind auch sie echte Vorarlberger. „Wir kaufen die Tiere als Einsteller mit ca. acht Monaten von verschiedenen Züchtern im Land“, erfahren wir. Das ist eines der 3G-Kriterien, die Vorarlberger Bio-Weiderinder erfüllen müssen:
Sie müssen in Vorarlberg geboren und gemästet sein und dürfen auch nur hier geschlachtet werden.
Ein Weg, den die Tiere immer in Begleitung ihres Bauern gehen. Denn so kann Andreas sicher sein, dass die Rinder so stressfrei, wie es eben geht, vom Betrieb zum Schlachthof kommen. Ein ruhiger und vor allem gewaltfreier Umgang mit den Tieren ist den Metzlers insgesamt wichtig. „Wenn man eine gute Beziehung zu den Rindern aufbaut, braucht man weder laut noch grob zu werden“, ist der Ludescher überzeugt, „dann folgen sie einem ganz von selbst – Schau her“, sagt er und greift zu einer Schale mit etwas Salz.

Während er die paar Schritte Richtung Weide geht, rüttelt er ein bisschen mit der Schüssel. Wie auf Knopfdruck drehen alle Rinder ihre Köpfe her, und wenige Augenblicke später ist Andreas umringt von feuchten Rindernasen, die in Richtung Salzschüssel drängeln. Wir beobachten schmunzelnd das Szenario – bis ein empörtes Meckern von der Nachbarwiese erklingt.
Lilly scheint es überhaupt nicht zu gefallen, dass die „Rindviecher“ hier so verwöhnt werden und sie bisher leer ausgegangen ist. Mit Rückendeckung von ihren wolligen Schaffreunden fordert sie lautstark ihren Anteil. Wie gut, dass Ruth immer etwas für die meckernden Mädels dabeihat.
Sie geht zum Auto und kommt mit einem Einkaufskorb zurück. Sofort schlägt die Empörung in Entzücken um. Gierig stecken die Ziege und alle Schafe gleichzeitig die Köpfe in den Korb. Wir fürchten kurz um Ruths Gleichgewicht, doch sie hat mit diesem Ansturm gerechnet und steht wie ein Fels zwischen den brotknabbernden Fellknäulen.

Bio-Bauern aus Überzeugung
Seit 30 Jahren kümmern sich Ruth und Andreas gemeinsam um den Betrieb und die Tiere. Wie ihr Mann ist auch die gebürtige Lustenauerin auf einem Bauernhof aufgewachsen. „Damals hätte ich geschworen, ich heirate alles, nur keinen Bauern“, lacht sie, und man kann es ihr ansehen, dass sie ihre Entscheidung bis heute nicht bereut hat. Denn der Umgang mit den Tieren, das Draußensein, und dass man am Abend weiß, wofür man gearbeitet hat, das liegt ihr genauso am Herzen wie ihrem Mann. „Das ist mehr wert als ein Sack voll Geld“, sagt sie.
Das muss es auch, denn leben kann die Familie von der Landwirtschaft nicht. „Wir sehen das mehr als teures Hobby“, scherzt Andreas. Wobei das eigentlich nicht zum Lachen ist. Denn jedes Jahr sperren kleine Betriebe wie dieser zu, weil die Einkünfte nicht zum Leben reichen. Die Folgen für die Kulturlandschaft sind oft weitreichend: Mit jedem Betrieb, der wegfällt, werden auch immer weniger Hanglagen bewirtschaftet.
Hier allerdings wird schon wieder fleißig „gemäht“ – die Rinder widmen sich erneut dem saftigen Gras „Füttert ihr auch zu?“, wollen wir wissen. „Nein“, antwortet Andreas, „im Sommer grasen die Tiere hier und auf der Alpe und im Winter fressen sie Heu und Silage von unseren Wiesen.“ Auch gedüngt wird nur mit dem, was die Tiere produzieren. „Wir führen eine Landwirtschaft, die mit dem auskommt, was sie hat“, beschreibt er die Kreislaufwirtschaft, die die Familie schon seit Generationen betreibt. „Hätte es das Prädikat damals schon gegeben, wäre mein Großvater schon Bio-Landwirt gewesen“, ist sich Andreas sicher. Auch er selbst ist Bio-Bauer aus Überzeugung.



Nachhaltig und Klimaneutral
Die Hälfte der insgesamt 30 Bio-Weiderinder sind für Sutterlüty reserviert. „Je nachdem, bei wie vielen ich die Qualität herbringe“, sagt Andreas mit einem kritischen Blick in Richtung der grasenden Tiere. Denn die Anforderungen sind hoch: Die Rinder müssen ein Lebendgewicht von mindestens 370 kg und maximal 580 kg erreichen, dürfen aber nicht älter als 24 Monate sein.
Diese Kriterien ohne Kraftfutter und mit der Alpung unter einen Hut zu bekommen, ist gar nicht so einfach. „Nach ungefähr 100 Tagen auf der Alpe müssen die Tiere noch für zwei Monate im Stall mit Heu gefüttert werden, sonst ist der Wassergehalt im Fleisch zu hoch“, erfahren wir. „Bei den beiden hier geht sich das bis zum spätesten Schlachttermin nicht aus“, sagt er und deutet auf zwei der größeren Rinder, „darum bleiben sie diesen Sommer über auch hier auf dem Maisäß.“
Wenn man den Tieren so zusieht, wie zufrieden sie in der warmen Junisonne ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen, mag man an das Ende des Sommers noch gar nicht denken. „Wir können damit eigentlich ganz gut umgehen“, sieht Ruth dem Unvermeidlichen erstaunlich nüchtern entgegen. „Wir wissen ja, dass die Tiere ein gutes Leben hatten.“ Und auch das ist mehr wert als ein Sack voll Geld.