Ostereier für Ausgeschlafene
Das Beste im Neste: Eier vom Martinshof


Wann waren Sie das letzte Mal vor dem ersten Hahnenschrei auf den Beinen? Bei uns ist es noch gar nicht so lange her. Für die Osterausgabe von „B’sundrig“ haben wir uns in aller Frühe aus den Federn geschwungen, damit wir rechtzeitig da sind, wenn die putzmunteren Hühner auf dem Martinshof in Buch ihre Eier legen.

Morgens kurz vor halb sechs am Martinshof in Buch. Noch ist es dunkel im Hühnerstall. Die meisten Hühner dösen auf ihren Stangen. Nur zwei fleißige Gockel sind schon munter und begrüßen den neuen Tag mit ihrem heiseren Krähen. Es gibt auch heute wieder viel zu tun!
Punkt 5.30 Uhr geht das Licht an. Langsam kommt Bewegung in die schläfrigen Federbälle. Die Hühner scheinen ganz genau zu wissen: In fünf Minuten wird das Frühstück serviert. In einem modernen Stall wie diesem kommt das Futter auf dem Fließband hereingefahren – ähnlich wie beim Running Sushi. Und auch dass Bertram Martin schon um diese Zeit nach dem Rechten sieht, scheint die Tiere kein bisschen zu stören. „Die sind das gewohnt“, sagt Bertram, während er langsam die Stalltür öffnet. „Es kontrolliert jeden Tag jemand schon früh am Morgen, ob alles in Ordnung ist.“ Wir bleiben im Vorraum und gückseln durch die Glasscheibe. Wir wollen die Damen so direkt nach dem Aufwachen nicht doch noch aus dem Konzept bringen. Schließlich steht gleich nach dem Frühstück ein besonders wichtiger Punkt auf der Tagesordnung: das Eierlegen. Dabei stimmt es eigentlich gar nicht, dass jedes Huhn jeden Tag ein Ei legt.
Etwa 270 Eier pro Huhn und Jahr kann man rechnen“, erfahren wir von Bertram, der gerade wieder aus dem Stall kommt. Wir überschlagen das kurz im Kopf: Bei den rund 2500 Hühnern, die hier in Buch leben, sind das um die 2000 Eier pro Tag. Um die alle händisch einzusammeln, sind es doch ein paar zu viele. Das ist auch gar nicht notwendig. Denn die Legenester, in die sich die Hühner nun nacheinander zurückziehen, sind wahre Trickkisten. „Da drin liegt eine dicke Schicht Dinkelspelz“, erklärt uns Bertram Martin. „Das ist nicht nur für die Hühner sehr bequem, auch das Ei ist gut geschützt.“
In den luftigen Spelzen sinken die Eier durch ihr Eigengewicht langsam nach unten, wo ein weiteres Förderband die fragile Fracht aus dem Stall bringt. Draußen werden die Eier kontrolliert, gestempelt und nach Gewicht sortiert in Eierkartons verpackt. Jetzt, so kurz vor Ostern, wird zudem zweimal pro Woche ein Teil der Eier von allen sechs Martinshof-Partnerbetrieben gekocht und gefärbt. Das passiert gesammelt in einem darauf spezialisierten Betrieb in Aulendorf im Landkreis Ravensburg.

Ab in den Garten
Doch zurück zu den Hühnern: In der Zwischenzeit – es ist mittlerweile halb zehn – sind die Stalltüren aufgegangen. Durch den überdachten Wintergarten, in dem sich die Hühner vor allem bei Schlechtwetter gerne tummeln, machen sich die ersten Tiere gleich auf nach draußen. Andere nehmen es lieber gemütlich. Auch kein Problem, denn hier dürfen die Hühner tun und lassen, wonach ihnen ist. Nichts zu tun allerdings kommt für ein Huhn offenbar nicht in Frage. „Hühner sind wie typische Vorarlberger: Die haben immer etwas zu tun“, lacht Bertram Martin. Und tatsächlich geht es auch gleich munter ans Werk: Hier wird gepickt, da wird gescharrt, und dort nimmt eine kleine Hühnergruppe schon ein ausgiebiges Sandbad. Gefiederpflege muss schließlich sein.

Neun Partner – Eine Vision
Der Betrieb von Claudia und Bertram Martin in Buch ist der erste von mittlerweile neun Betrieben, die alle unter der Marke „Martinshof“ Eier produzieren. Aber haben es denn die Hühner überall so gut wie hier? Eine Frage, die Claudia Martin, die gerade zu uns gestoßen ist, ganz klar mit Ja beantworten kann: „Bei der Auswahl unserer Partner haben wir uns in erster Linie auf unser Bauchgefühl verlassen. Das sind alles Menschen, die so ähnlich ticken wie wir, die die gleichen Prioritäten setzen und dieselben Werte haben.“ Derzeit sind drei der Betriebe, darunter der Martinshof selbst, biozertifiziert. Doch ob Freiland- oder Bio-Betrieb: Auf jedem Hof leben maximal 4000 Hühner. Dabei sind in herkömmlichen Betrieben bis zu 30.000 Hühner keine Seltenheit. So aber hat jedes Huhn einen Auslauf von mindestens zehn Quadratmetern. Die Ställe sind in allen Betrieben gleich angelegt, und da wie dort dürfen die Hühner rein und raus, wie es ihnen gefällt.
Auch wenn die Nachfrage nach Freilandeiern das momentan noch nicht zulässt, auf lange Sicht will Familie Martin alle ihre Betriebe auf Bio umstellen. „Das ist für uns eine Frage der ganzheitlichen Sicht“, erklärt uns Bertram. „Es geht nicht um das Bio-Zertifikat, sondern darum, insgesamt so nachhaltig wie möglich zu arbeiten.“ Dazu zählt schon jetzt der konsequente Verzicht auf Gen-Soja aus Übersee. „Das Meiste bekommen wir selbst mit Kräutermischungen oder manchmal auch ganz einfach mit Apfelessig in den Griff“, ergänzt Claudia. Dass die Tiere tatsächlich völlig gesund sind, wird selbstverständlich laufend tierärztlich kontrolliert.



Nachhaltig und Klimaneutral
Doch nicht nur in der Tierhaltung an sich orientiert sich der Martinshof weit mehr an ökologischen als an ökonomischen Maßstäben, darauf ist auch der Betrieb selbst ausgelegt. Seit 2016 arbeiten die Martinshof- Betriebe klimaneutral. Geheizt wird schon seit 2002 mit Hackschnitzeln, und den Strom für den Betrieb liefert zu 90 Prozent die Photovoltaikanlage auf dem Dach. Gedüngt wird mit dem, was die eigenen Tiere hergeben, und die Eierkartons sind FSC-zertifiziert, werden also mit Holz aus ökologischer und sozial verantwortlicher Waldbewirtschaftung hergestellt. „Hier gibt es natürlich immer noch Potenzial – und wir bleiben dran“, zeigt sich Bertram bereit für die Zukunft.
Wir haben den Eindruck, Familie Martin und ihre Partner sehen es ähnlich wie ihre Hühner: Es gibt immer was zu tun! Darum verabschieden wir uns jetzt auch wieder und lassen Mensch und Tier am Martinshof ihrem bemerkenswerten Tagwerk nachgehen. Dass wir die ganze Fahrt zurück in die Redaktion „Ich wollt, ich wär’ ein Huhn …“ gesummt haben, müssen wir ja niemandem verraten.

Gelegte Legende: Das Karfreitagsei
Am Gründonnerstag werden am Martinshof spät in der Nacht nochmal alle Nester geleert. Denn am nächsten Morgen legen die Hühner ganz besondere Eier: die legendären Karfreitagseier! Noch in aller Frühe werden die Eier eingesammelt und sind – beinahe noch nestwarm – ab 10 Uhr in allen Ländlemärkten erhältlich. Dem Volksglauben nach sollen Karfreitagseier vor Unglück, Unfällen oder sogar vor Einbrüchen schützen. Erstaunlich jedenfalls ist, dass Karfreitagseier meistens nicht faulig werden, sondern oft einfach eintrocknen. Und das auch, wenn sie unter denkbar schlechten Bedingungen gelagert werden.