Riebel meets Müsli
Dietrich Kostbarkeiten
Riebel, Stopfer oder Brösel – es hat viele Namen, jenes Gericht, das früher in vielen Vorarlberger Haushalten tagtäglich auf den Frühstückstisch kam. Heute hat ihm vielerorts das Müsli den Rang abgelaufen. Dass der Riebelgenuss dabei nicht auf der Strecke bleibt, dafür sorgt Sutterlüty’s Riebelmüsli aus der Lauteracher Spezialitäten-Manufaktur DietrichVorarlberger Kostbarkeiten.
In der Vorarlberger Kostbarkeiten-Manufaktur in Lauterach herrscht immer reger Betrieb. Heute allerdings ist b’sundrig viel los. Draußen auf dem Bänkle sitzen Freund*innen und Bekannte, die Richard Dietrich beim Schälen von Riebelmaiskolben helfen. „Damit wir im nächsten Jahr wieder Saatgut haben“, sagt er und winkt uns herein. Wir folgen ihm in den Arbeitsraum, den Richard im ehemaligen Stall der Nebenerwerbslandwirtschaft seiner Eltern eingerichtet hat. Auf dem großen Arbeitstisch liegen bereits mehrere Bleche mit Riebelmüsli zum Auskühlen, das sein Mitarbeiter Suguru heute schon geröstet hat. Jetzt holt er eine große Kiste voller Birnen aus dem Lager, die noch vor Mittag in den Dörrofen müssen. Die Birnen werden später dem Riebelmüsli seine fruchtig-süße Note verleihen. Richard zückt sein wichtigstes Arbeitsutensil: ein kleines Schweizer Taschenmesser. Dann beginnt er, die Birnen sorgfältig auszuschneiden – und zu erzählen…
EIN FAST IN VERGESSENHEIT GERATENES KULINARISCHES KULTURGUT
Anfang der 2000er-Jahre, erzählt der Agrarwissenschaftler, habe er sich viel mit Streuobst auseinandergesetzt. Um dieses immer seltener werdende kulinarische Kulturgut zu erhalten, gründete er die Streuobstinitiative Hofsteig und legte einen Sortengarten an, in dem bis heute alte Sorten kultiviert werden. Eine Bekannte wusste von seinem Interesse an teils in Vergessenheit geratenen Kulturpflanzen und machte ihn auf etwas aufmerksam, das ebenfalls so gut wie von den Feldern verschwunden war: den Vorarlberger Riebelmais.
Bis in die 1960er-Jahre wurde Riebel in Vorarlberg fast ausschließlich aus Riebelmais zubereitet; es gab Zeiten, da wurden in fast jedem Garten ein paar Maispflanzen für den Eigenbedarf angebaut. Doch mit dem Wirtschaftsaufschwung ging es mit dem Riebelmais bergab. Was man im eigenen Garten hatte, war plötzlich nichts mehr wert. Stattdessen fing man an, den Riebelmais mit Weizengrieß vom Weltmarkt zu mischen. Heute besteht der im Handel erhältliche „Riebelgrieß“ sogar zu 100 Prozent aus Weizen.
Auch wenn sich der Anbau von Riebelmais kaum noch lohnt: Richard Dietrich tut es trotzdem. Gemeinsam mit rund zehn Partnerbetrieben von Lauterach bis Rankweil baut er auf insgesamt circa zehn Hektar den traditionellen Vorarlberger Riebelmais an. Keine leichte Aufgabe, denn Riebelmais sei „schwierig“. Die Pflanzen fallen häufig um, und ohne Herbizide dem Unkraut Herr zu werden, sei eine Mammutaufgabe. Das Schwierigste aber sei, sich vor dem Vogelfraß zu schützen. „Dieses Jahr musste ich dreimal aussäen, weil mir die Krähen zweimal das Saatgut weggeputzt haben.“ Offenbar wissen es auch die Vögel zu schätzen, dass das Saatgut hier noch von Hand von den getrockneten Maiskolben gerebelt wird und unbehandelt aufs Feld kommt. Denn häufig wird Saatmais chemisch gebeizt, um ihn vor Tierfraß und anderen ertragsmindernden Einflüssen zu schützen. Das allerdings ist für Richard keine Option.
Doch was macht diesen typischen Vorarlberger Riebelmais eigentlich aus? Charakteristisch sei seine helle, fast weiße Färbung, erfahren wir. Das mache den Riebelmais seinem größten Konkurrenten, dem Weizengrieß, optisch sehr ähnlich. Geschmacklich ließen sich die beiden Grießsorten jedoch kaum vergleichen. Riebelgrieß schmecke genau so, wie man es sich erwarte: leicht süßlich, ein bisschen nussig, ein bisschen malzig – eben „typisch maisig“.
WIE DER RIEBEL ZUM MÜSLI WURDE
„Wir versuchen, aus traditionellen regionalen Rohstoffen innovative Produkte zu machen, die auch eine Bereicherung sind“, bringt Richard Dietrich die Produktentwicklung seiner Manufaktur auf den Punkt. Seit Jahren entstehen so immer wieder neue, spannende Produkte, sowohl aus Birnen als auch aus Riebelmais. Warum also nicht einmal beides kombinieren? „Ich esse sehr gerne Müsli, und irgendwann dachte ich mir: Warum nicht?“ Zum Riebelmais als Hauptzutat kamen Dinkelflocken, Haferflocken und Kokosflocken – und natürlich das eigene Dörrobst. Dazu geröstete Haselnüsse, Mandeln und Sonnen-blumenkerne, etwas Zimt, Zucker und Honig. Alles zusammen mit ein wenig Butterschmalz im Ofen gebacken – und nach ein paar Versuchen war die erste Müslimischung perfekt. Inzwischen ist die „nächste Generation vom Frühstücksriebel“ eine fixe Größe in den Müsliregalen der Ländlemärkte. Wobei mit „Größe“ mehr die inneren Werte als die im Verhältnis zu vielen anderen Markenprodukten recht überschaubaren Maße gemeint sind.
„Unser Müsli enthält 300 Gramm hochwertigste Zutaten und nichts, was leeres Volumen macht“, betont Richard. Gemeint sind damit große Granola-Brocken und vor allem gepufftes Getreide. Auch dass der Betrieb auf große, auffällige Schachteln mit viel Packvolumen verzichtet und stattdessen zu schlichten, transparenten Beuteln greift, hat einen sympathischen Grund: „Das passt einfach besser zu uns.“
EIN BISSCHEN OBST MUSS SEIN
Während Richard die Birnen putzt, legt Suguru eine Birne nach der anderen auf eine am Tisch befestigte Schneidevorrichtung. Mit einem Pfannenwender aus Holz und ein bisschen Muskelschmalz drückt er die Frucht durch die hochkant angeordneten Klingen. Mit einem zackigen „Klack“ saust die Birne durch und landet in gleichmäßige Scheiben geteilt in einem weißen Eimer. Blechweise kommen diese Scheiben nun in den Dörrapparat, der normalerweise zweimal pro Woche von einem Team der Lebenshilfe befüllt wird. Welches Obst verarbeitet wird, hängt davon ab, was es gerade gibt. In der Regel kommt das Obst aus Gärten aus der Umgebung oder aus dem eigenen Sortengarten. Gedörrt wird in Rohkostqualität, das heißt bei 40 °C.
In 24 Stunden werden so aus rund 30 Kilogramm frischen Birnen circa 3 Kilogramm Dörrbirnen. Dass Äpfel und Birnen wie diese nicht einfach unterm Baum liegenbleiben und dort verfaulen, ist Richard ein großes Anliegen. Den überwiegenden Teil verarbeiten er und sein Team zu Saft, Schnaps, Cider oder Essig.
SÜSS, DER SAFT
Seit einiger Zeit jedoch hat die Birne noch eine ganz unerwartete Rolle: Als es darum ging, eine uuckerreduzierte Rezeptur zu entwickeln, wollte Richard nicht auf hochverarbeitete oder importierte Süßungsmittel zurückgreifen. Das hätte schon seine Experimentierfreude nicht zugelassen. „Wir haben jahrelang mit einem Partner gemeinsam getüftelt“, erzählt Richard, „bis es uns gelungen ist, aus Hochstammbirnen ein ganz natürliches und zu 100 Prozent regionales Süßungsmittel herzustellen: Birnendicksaft.“ Derzeit gibt es den Birnendicksaft nur als Zutat im Müsli, doch es wäre durchaus denkbar, dass es ihn auch irgendwann als eigenständiges Produkt geben könnte. Da komme es immer auch darauf an, was die Kund*innen wollen, meint Richard. Ins Regal geschafft hat es vor Kurzem jedenfalls das neue, vegane Riebel-Knuspermüsli.
Hier sorgen ganze Nüsse für noch mehr Crunch, das Butterschmalz wurde durch Sonnenblumenöl ersetzt. Im Knuspermüsli bringt statt Zucker und Honig ebenfalls Birnendicksaft eine angenehme Süße ins Frühstück. Apropos: Wie isst eigentlich der Vorarlberger Riebelmais-Retter sein Müsli am liebsten? „Mit Bio-Joghurt und Obst der Saison“, sagt Richard. Ein Apfel sei immer dabei, und dann halt, was es sonst gerade so gebe. Als Snack mache sich das Müsli übrigens auch gut: Dazu dreht er den Spieß einfach um und gibt nicht das Joghurt zum Müsli, sondern einen oder zwei Löffel Müsli ins Joghurt. Fans des Originals müssen sich übrigens keine Sorgen machen, dass das Riebelmüsli dem klassischen Vorarlberger Riebel den Rang ablaufen könnte. Im Gegenteil: Schon bald wird es Riebel und Polenta aus echtem Vorarlberger iebelmais bei Sutterlüty auch in Bio-Qualität geben – für Saatgut jedenfalls ist schon gesorgt.