Landjäger mit Biss


Wenn er sorgfältig reift und beim Biegen bricht, hat der Metzger alles richtig gemacht.Verziert mit Rauten und in der typisch eckigen Form zeigt sich die luftgetrocknete Wurstspezialität von ihrer geschmackvollsten Seite. Ein Besuch in der Vorarlberger Metzgerei Walser, die seit Juni 2024 Teil der Sutterlüty Gruppe ist.

„Echter Geschmack braucht Zeit. Und die gönnen wir unseren Landjägern für die perfekte Reifung und Trocknung“, erklärt Michael Riedmann, während er genüsslich ein Stück verkostet. In der heu- tigen Zeit, in der Beschleunigung oft als Tugend gilt, sind solche Worte rar gewor- den. Doch der Geschäftsleiter der Metzgerei Walser weiß, wovon er spricht, waren doch schon sein Vater und sein Großvater pas- sionierte Metzger. „Der Enthusiasmus fürs Metzgerhandwerk liegt in meiner Familie, genau wie bei Walser“, sagt er stolz und führt durch die blitzblanke Produktion. Seit 1978 werden in der Metzgerei Walser in Meiningen köstliche Wurst- und Fleisch- waren hergestellt. Vieles hat sich seither verändert, doch manches ist geblieben: die Hingabe zum ehrlichen Handwerk und der unnachahmliche Geschmack. Kaum zu glau- ben, dass ein Walser-Landjäger heute noch genau so schmeckt wie damals – weil die originale, streng gehütete Rezeptur immer noch dieselbe ist. Und weshalb auch etwas verändern, das einfach gut schmeckt?



TIERWOHL, TRADITION UND TEAMGEIST
Dienstag ist Landjäger-Tag bei Walser. In einer großen Edelstahlschüssel rotieren scharfe Messer und zerkleinern mageres Rind- und Schweinefleisch. Die grobkörnige Masse wird mit saftigem Rückenspeck, duf- tenden Gewürzen und Pökelsalz vermischt. „In unsere Landjäger kommen keine Farb- stoffe und keine Konservierungsmittel – nur
Naturgewürze. Und ein ordentlicher Schuss Rum, aber keine Sorge, der verflüchtigt sich im Produktionsprozess“, lacht Martin Hofer und prüft mit geübtem Griff sorgsam die Konsistenz. Martin, ein aufgeweckter und sympathischer junger Mann, ist leidenschaft- licher Metzger und Betriebsleiter bei Walser. Hier hat er gelernt und sich durch Wissen und Fleiß hochgearbeitet. Man merkt sofort, ihm liegt nicht nur die erstklassige Fleisch- qualität am Herzen, sondern auch das Wohl der Tiere. „Wir kennen die Bauern, und uns ist wichtig, dass es den Tieren in Vorarlberg gut geht“, erklärt er, während er mit seinen kräftigen Armen die fertige Fleischmasse in einen großen Trichter füllt.
Geschickt fischt Martin einen Naturdarm aus einer Wasserwanne und zieht ihn blitz- schnell über das Füllrohr. Wenige Sekunden später ploppen die ersten Würste auf die Ablagefläche. Was Martin an seinem Job besonders gefällt? Die traditionelle Her- stellung, das alte Handwerk – und vor allem das gute Miteinander. „Ma hilft anand“, sagt er mit einem breiten Grinsen und reicht seinen Kollegen Mio und Ionel recht- eckige Bleche, deren Boden mit dem typisch rautenförmigen Muster versehen ist. Sechs flinke Hände schichten die hellen Würste, die noch wenig Ähnlichkeit mit den fertigen Landjägern haben, dicht an dicht in die For- men, wo sie später zwei Tage lang gepresst werden. Es ist echte Handarbeit, begleitet von fröhlichem Geplauder, und man merkt: Hier geht’s nicht nur um die Wurst – hier geht’s um echtes Handwerk, um Tradition und Zusammenhalt.
WEIL DER GESCHMACK NICHT WURST IST
Ross-Landjäger, Chili-Landjäger, Hirsch- Landjäger – paarweise baumeln die würzi- gen Spezialitäten in der Räucherkammer. Das Geheimnis des einzigartigen Aromas? „Echtes Holz und Glimmrauch – seit Jahr- hunderten die traditionelle Art zu räuchern“, erklärt Michael Riedmann, während er duftende Buchenholzspäne nachlegt. Kein Feuer, sondern sanfter Glimmbrand – das
Holz wird leicht angefeuchtet, sodass es langsam vor sich hin glimmt und der Kalt- rauch in Intervallen durch die Kammer zieht. Bei niedriger Temperatur bildet sich so über mehrere Tage das milde Raucharoma aus, das den typischen Walser-Landjäger so unwiderstehlich macht. In großen Industrie- betrieben werden heute oft einfachere und vor allem kostengünstigere Verfahren zum Räuchern angewendet. Doch dabei leidet der Geschmack – und der ist bei Walser eben nicht wurst, sondern Herzensangelegenheit seit Generationen.

BIS(S) ZUM KNACKEN
Was heute als „Slow Food“ gefeiert wird, weiß man bei Walser schon seit über vierzig Jahren: Gut Ding braucht Weile. Und ganz konkret bedeutet das: über 100 Stunden im Klimaraum. Hier herrschen konstante Temperaturen, regulierte Luftfeuchtigkeit und ein kontrollierter Luftstrom – die per- fekten Bedingungen für eine langsame und sorgfältige Trocknung. Und je länger diese Phase dauern darf, desto intensiver entfal- tet sich das würzig-rauchige Aroma. Denn Geschmack braucht Zeit, insbesondere bei luftgetrockneten Rohwurstspezialitäten. Bis zu 35 Prozent seines Wassergehalts verliert ein Landjäger während der Reifung. Was übrig bleibt, ist die pure Essenz des einzigartigen Geschmacks. „Wenn man unseren Landjäger biegt, dann bricht er – ein absolutes Qualitätsmerkmal“, sagt Michael Riedmann zufrieden. Und tat- sächlich: Da bricht er auch schon auseinan- der – der untrügliche Beweis für erstklassi- ges Metzgerhandwerk.
SAUER MACHT LUSTIG – HAUSGEMACHTES SAUERKRAUT
Apropos Metzgerhandwerk: Anja Sorger trägt es nicht in ihrer DNA, sondern ist im Internet darauf gestoßen. Dort hat sie näm- lich trendigen Metzgern zugeschaut und so ihre Begeisterung für die hohe Kunst der Wurstherstellung entdeckt. Heute ist die fröhliche junge Frau der einzige weibliche Lehrling in der Metzgerei Walser. Geschickt füllt sie eine glänzende Gewürzkugel mit duftendem Wacholder, frischem Lorbeer, Kümmel und sonnengereiften Zitronen- scheiben und versenkt sie im dampfenden Sauerkrautkessel. „Das Kraut kommt natürlich aus Vorarlberg, vom Gemüsebauern Hämmerle aus Lustenau. Dort reift es ganz tradi- tionell in Holzfässern“, erklärt sie und rührt mit einer riesigen Kelle im Sauerkrautkessel. Damit die wertvollen Vitamine und Nährstoffe erhalten bleiben, köchelt das Kraut fünf Stunden lang bei niedriger Temperatur.
Nach dem schonenden Garen wird es luft- dicht abgefüllt und nochmals kurz erhitzt – bis zu drei Monate bleibt das Sauerkraut dadurch haltbar, und das ganz ohne Kon- servierungsstoffe. „Ein natürlicher, haus- gemachter Vitaminkick für kalte Winter- tage“, lacht Anja und überprüft sorgsam die optimale Temperatur. Über Geschmack lässt sich zwar bekanntlich streiten, aber nicht über die perfekte Konsistenz: „Bissfest“ ist das Zauberwort, denn so schmeckt’s am bes- ten. Stellt sich nur noch die Frage: Darf’s für Sie lieber die würzige Variante mit saftigen Selchbauchwürfeln und gerösteten Zwiebeln sein, oder doch lieber ganz pur?